Im Oktober 2024 fand die erste queere Kunstausstellung von EvH-Studierenden in der KoFabrik statt. Mittendrin, bunt und interaktiv.
Als Tanja Kaprol-Busacker in ihrer Bachelorarbeit erforscht, ob Kunst die Selbstwirksamkeit von queeren Menschen fördert, ahnt sie noch nicht, dass daraus „Qunst” entstehen wird. Im Bachelor & More-Seminar „Partizipative Forschungswerkstatt” knüpft sie Kontakt zum Sozial-Wissenschaftsladen (SoWiLa) der EvH Bochum. Daraus entsteht schnell der Gedanke, die Fragestellung der Abschlussarbeit auch in einer öffentlichen Kunstausstellung zu präsentieren. Gemeinsam mit dem SoWiLa konzipierte die studentische Künstler_innengruppe eine vielfältige und interaktive Sammlung mit einem breiten Spektrum an verschiedenen Kunstformen: Die Werke reichen von Malerei über Skulpturen bis hin zu Installationen, die zum Mitmachen und Entdecken einladen. Sie bieten neue Einblicke in queere Lebensrealitäten und fordern dazu auf, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen.
„Die Kunstwerke sind aus ganz persönlichen Geschichten entstanden. Für mich war es eher eine biografische Arbeit, die mal abstrakt mein Innenleben reflektiert und mal ganz konkrete Alltagsmoment widerspiegelt“, erklärt Studentin Julia Bathaeian. „Es war überwältigend, dass so viele zur Ausstellung gekommen sind – nicht nur Freunde und Bekannte, sondern interessierte Menschen aus ganz Bochum. Das Feedback war sehr positiv, immer wieder haben sich Menschen dafür bedankt, dass wir Queerness zeigen und ihr Ausdruck verleihen. Queere Kunst beschäftigt sich inhaltlich – wenn auch oft nicht offensichtlich – mit dem Tabubruch von Sexualität, Körper und geschlechtlicher Identität“, so Bathaeian. Es läge aber im Auge des Betrachters, wie man Kunst lese und interpretiere – das gehe natürlich auch mit einer queeren Perspektive.“
Das Besondere sind die Geschichten hinter den Bildern: Auch für Kevin Sachs vom SoWiLa ist die „Qunst-Ausstellung“ ein innovatives Projekt, das Lebenswirklichkeiten verändert: „Diskriminierungserfahrungen können zu einem (gefühlten) Kontrollverlust führen. Eine Kunstausstellung im Rahmen eines partizipativen Forschungsprojektes zu initiieren, kann ein Unterfangen sein, dass Selbstwirksamkeit ermöglicht und wieder ein wenig Kontrolle zurückgibt. Außerdem bietet eine solche Ausstellung einen niedrigschwelligen Anlass, um wissenschaftliche Ergebnisse einem breiten Publikum mitzuteilen. Das Wissen, was wir im SoWiLa generieren, soll nicht in der Schublade der Prüfenden verschwinden – wir wollen, dass es Anwendung findet. In der partizipativen Forschung nennen wir das auch Knowledge for Action."
Ausblick 2025:
Die Ausstellung wird voraussichtlich Anfang 2025 auch am Campus der EvH Bochum gezeigt.
„Ich habe eine kleine Bilderreihe gemalt, die Menschen, die gemischte Geschlechtsmerkmale haben, zeigt und zu jeder Person je ein Pronomen geschrieben, was man vielleicht erwartet hätte oder vielleicht auch nicht. Ich finde es halt total spannend, ein bisschen die Stereotypen aufzubrechen und die anschauende Person vielleicht ins Stutzen zu bringen mit der Hoffnung, dass man sich im Endeffekt denkt: ‚Okay, eigentlich hat das Aussehen überhaupt nichts mit der Identität oder dem Namen/Pronomen der Person zu tun, weil Menschen einfach so verschieden aussehen können, dass man gar nicht in der Lage ist, irgendwelche Schlüsse zu ziehen und es deswegen einfach lassen sollte. Zusammenfassend behandeln meine Bilder einerseits äußerliche Vielfalt des Queerseins, Identität ≠ Aussehen, ständige Auseinandersetzung mit einem selbst und der Realität, in der wir leben."
„Unser Fotoprojekt widmet sich den oft ungehörten Stimmen und Perspektiven älterer Personen der LGBTQIA+ Community. Durch biografische Interviews beleuchten wir ihre persönlichen Erfahrungen – vom Coming-out, über ihre Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft, bis hin zum Wandel queerer Themen im Laufe der Zeit. Ein zentrales Anliegen war dabei auch die Reflexion über den intergenerationellen Dialog: Wie sehen sie die heutige junge Generation queerer Menschen, und welche Verbindungen und Unterschiede erkennen sie? Wie das im Einzelnen aussieht, könnt ihr den Interviews und Bildern entnehmen.
Wichtig ist uns, zu betonen, dass die in diesem Projekt interviewten Männer nur einen Bruchteil der queeren Community repräsentieren. Trotz ihrer bedeutenden Perspektiven bleibt die Sichtbarkeit vieler weiterer queerer Menschen marginalisiert. Gerade Transpersonen, nichtbinäre Menschen, lesbische Frauen, Interpersonen und bisexuelle Frauen finden oft weniger Raum in der öffentlichen Wahrnehmung. Deshalb möchten wir diesen Raum bewusst nutzen, um auch die Menschen zu thematisieren, die oft übersehen werden."
„Egal in welcher Kunstform – ob ich male, gestalte, modelliere, schreibe, spreche, musiziere – gehört das Werk mir nur, solange es entsteht. Sobald es fertig ist, geht es in die Hände der Betrachter_innen und Zuhörer_innen über. Von diesem Moment an schreiben sie ihre eigenen Geschichten – nicht mehr meine. Während des Schaffensprozesses habe ich über Themen wie den Verlust geliebter Menschen durch Homophobie oder die Auswirkungen von Übersetzungsfehlern in religiösen Kontexten auf das Denken, Körperbilder und das Outing nachgedacht. Doch wer eine Geschichte in meinen Bildern und Texten entdecken möchte, muss kommen und sie selbst schreiben."
„Meine Arbeiten stehen begleitend zur Aufarbeitung der Überstülpung eines strafenden Gottes, Schuldgefühlen, eingeschränkte Körperautonomie und nicht selbstbestimmter Sexualität und Lebensidentität. Abstrakte Gliedmaßen betonen die verworrene Wahrnehmung von Körperbildern, drücken Ohnmacht über religiöse Unterweisung aus, zeigen die nackte Blöße vor der Angst, spiegeln episodische Befreiungskämpfe wider."