„Musik ist für mich ein Raum, in dem Vielfalt hörbar wird.“ Mit diesem Satz beschreibt Prof. Dr. Martin Weber treffend, was ihn als Musiker, Pädagoge und Forscher antreibt. Seit dem Wintersemester ist er Professor für Künstlerische Bildung und Musikpädagogik an der EvH Bochum. Seine Schwerpunkte: Improvisation, Inklusion und die Verbindung von künstlerischer Praxis mit pädagogischer Reflexion. Prof. Weber bringt langjährige Erfahrung aus der Förderschule, der inklusiven Pädagogik und aus der Hochschule mit. Gleichzeitig hat der 45-Jährige immer in Bands gespielt und steht bis heute mit verschiedenen Formationen auf der Bühne oder im Studio, u. a. mit dem Kabarettisten und Musiker Martin Zingsheim. An der EvH Bochum möchte er Studierende ermutigen, Musik neu und intuitiv zu erleben – als gemeinsamen, offenen Prozess. Im Interview erzählt er, welche Projekte er plant und worauf sich Studierende in seinen Seminaren freuen dürfen.

Zwischen Renaissance und neuer Musik – von Nirvana bis Andrew Bird: Musikpädagoge Prof. Dr. Martin Weber will sich auf kein Genre festlegen. Seine Offenheit und seinen Hang zur Improvisation gibt er nun an die Studierenden der EvH Bochum weiter. (© EvH Bochum)
Wie sah Ihr persönlicher Weg zur Musik aus?
Tatsächlich spielen meine Eltern keine Instrumente. Für mich war Musik aber schon immer das Ausdrucksmittel meiner Wahl: Schon ganz früh habe ich mit Kochlöffeln auf Möbeln und Sofas getrommelt und sogar auf einem Eierschneider herumgezupft. Es war also relativ schnell klar, dass ich Instrumente brauche. Mein Onkel hat mir dann mein erstes Schlagzeug geschenkt, ein kaputtes aus den 60ern. Und irgendwann mit sieben habe ich Geigenunterricht bekommen – die Lehrerin war allerdings sehr streng. Mit 14 habe ich darum wieder aufgehört, die Geige über den Verstärker angeschlossen und in Rock- und Punkbands gespielt. Ich bin sozusagen ‚Nirvana-sozialisiert‘. Über die Improvisation habe ich aber schließlich meinen Weg in die Klassik zurückgefunden und auch Musik anderer Kulturen und Freie Improvisation für mich entdeckt. Ich danke meinen Eltern und meiner Schwester, dass sie immer alles ausgehalten und unterstützt haben.
Jetzt haben Sie die Professur für Künstlerische Bildung und Musikpädagogik an der EvH übernommen. Wie möchten Sie Ihre Erfahrungen aus Lehramt und Sonderpädagogik hier einbringen?
In meiner neuen Aufgabe an der EvH Bochum kommen jetzt alle Aspekte meiner bisherigen Arbeit zusammen: Künstlerisches trifft Sozialpädagogik, Musikpraxis trifft Forschung. Insofern ist die Stelle ein Riesenglücksfall für mich – nicht zuletzt, weil ich in der künstlerischen Bildung mit einem so großartigen, diversen Team arbeiten darf. Mein Hauptanliegen in der Lehre ist, die Studierenden zu motivieren, selbst musikalisch-gestalterisch tätig zu werden und Musik als nonverbale Ausdrucksform zu entdecken. Dabei geht es auch darum, Zutrauen in die eigenen musikalischen Fähigkeiten zu gewinnen und musikpädagogische Konzepte zu entwickeln. Mich interessieren vor allem die Voraussetzungen, die nötig sind, damit Menschen kooperativ musikalisch zusammenzukommen – egal, ob ich in der Kita-Gruppe bin, mit Demenzkranken arbeite oder mit Menschen mit Behinderung. Welche Hemmungen oder Barrieren gibt es hier ggf. und wie kann ich meine musikalische Praxis darauf abstimmen? Das will ich gemeinsam mit den Studierenden erarbeiten.
Was bedeutet für Sie „Vielfalt“ in Verbindung mit Musik?
Beim Musikmachen muss man aufeinander hören und sich auf andere einlassen – daraus ergeben sich sinnstiftende Begegnungsmöglichkeiten über Sprachbarrieren hinweg. Musik ist für mich ein Raum, in dem Vielfalt hörbar wird. Genau diese Erfahrungen möchte ich an der EvH weiter fördern. Im Programm „Bachelor & More“ biete ich dieses Semester ein Blockseminar an, in dem wir uns zu einem interkulturellen Musikensemble zusammenfinden. Wir beschäftigen uns mit den musikalischen Hintergründen der Teilnehmenden, befassen uns mit verschiedenen Kulturen und schauen, was sich daraus entwickelt. Langfristig könnte ich mir auch vorstellen, dass Interessierte hier aus der Nachbarschaft der Hochschule, vielleicht Menschen mit Fluchthintergrund, bei einem solchen Ensemble mitmachen. Gleichzeitig ist auch Inklusion ein Querschnittsthema, das ich den Studierenden musikalisch näherbringen will, weil es in ihrer späteren Arbeit eine wichtige Rolle spielt.
In Ihrer Dissertation und weiteren Publikationen haben Sie sich mit Gruppenimprovisation und inklusiven Lernformen beschäftigt. Wie wichtig sind Ihnen solche Formate in der Lehre?
Das finde ich einfach super spannend: Wir haben einerseits Leute, die noch nie etwas mit Musik zu tun hatten, andererseits sehr ambitionierte Studierende, die künstlerisch sehr weit sind und eigene Musikprojekte haben – wie bringt man diese Heterogenität zusammen? Wie gelingt das gemeinsame Musizieren? Wie kommen wir in einen gleichen Rhythmus? Eine gute Möglichkeit ist die Improvisation, die einerseits sehr niedrigschwellig sein kann – alle können mitmachen – auf der anderen Seite aber auch Chancen bietet, mit dem eigenen Anspruchsgrad partizipieren zu können. Hier gibt es Übungen und Methoden aus der Sonderpädagogik oder der Community Musik, die ich Schritt für Schritt mit den Studierenden erproben möchte. Ich bringe also nicht die Noten mit und alle spielen dasselbe, sondern wir schauen ganz individuell, welche Voraussetzungen die Leute mitbringen und entwickeln uns von dort aus weiter.
Im November ist Prof. Dr. Martin Weber von der EvH Bochum gleich in zwei Radioshows zu hören: Am 30. Oktober 2025 wurden im großen Sendesaal des Deutschlandfunks vor vollbesetztem Haus zwei Folgen der politischen Radiosendung „Querköpfe“ aufgezeichnet. Unter dem Motto „Machen statt meckern – was passiert, wenn alle mit anpacken?“ diskutierten Gäste aus Kabarett, Politik und Gesellschaft, darunter Wilfried Schmickler und Mayra Vriesema.
Durch die Sendung führt Gastgeber Martin Zingsheim, begleitet von der Deutschlandfunk-Showband mit Martin Weber (Violine), Claus Schulte (Schlagzeug) und Nils Wittmann (Klarinette). Weber begleitete dabei u. a. die Sängerin Anna Depenbusch.
Beide Sendungen sind in der Mediathek des Deutschlandfunks abrufbar und werden ausgestrahlt am:
Darüber hinaus wirkte Weber gemeinsam mit Martin Zingsheim (Moderation) beim WDR 5 Kabarettfest mit, das am 2. November 2025 im Düsseldorfer Kom(m)ödchen aufgezeichnet wurde.

© Thomasz Kujawinski