Im Berufsalltag passiert es immer wieder: Mit viel Engagement wird ein Konzept entwickelt, sorgfältig diskutiert und schließlich verabschiedet – und doch bleibt es im Alltag dann oft folgenlos. Was auf dem Papier überzeugend klingt, verliert sich schnell zwischen Termindruck, Routinen und den vielen anderen Aufgaben. Genau das soll bei Gewaltschutzkonzepten in Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht passieren.
Im Forschungsprojekt „PInG – Partizipativer Index für Gewaltschutz” entwickeln die Beteiligten ein praxisnahes Werkzeug, um diese Lücke künftig zu schließen. Es enthält Reflexionsfragen und weitere Bausteine, die Einrichtungen dabei unterstützen, ihre Gewaltschutzkonzepte nicht nur einzuführen, sondern auch lebendig weiterzuentwickeln. Das Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS) der EvH Bochum führt das Projekt gemeinsam mit den Partnern Café 3B und der LAG Selbsthilfe NRW durch. Gefördert wird es durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW.
Wichtige Hilfestellung für die Praxis
„Menschen mit Behinderung haben ein deutlich erhöhtes Risiko Opfer von Gewalt zu werden, das ist wissenschaftlich immer wieder belegt worden“, erklärt BODYS-Leiterin Prof. Dr. Kathrin Römisch. „Die Einrichtungen erhalten mit dem Index eine Praxishilfe, um zusätzliche Veränderungspotentiale zu identifizieren und konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu erarbeiten. Darauf aufbauend können die einrichtungsinternen Gewaltschutzkonzepte weiterentwickelt und bei Bedarf angepasst werden.“
Die Gewaltschutzkonzepte liegen nur teilweise in leichter Sprache vor, müssen aber auf eine breite Akzeptanz unter Belegschaft und Bewohner_innen stoßen, damit sie aktiv genutzt werden. Die Lösung: Partizipation. Ein Team aus Forschenden, Angehörigen, Selbstvertretungen und Mitarbeitende in verschiedenen Positionen erarbeiten gemeinschaftlich den Index, der dann später genauso gemeinschaftlich von allen genutzt werden kann.
Teilhabe als Schlüssel
„Gewaltschutz sollte niemandem nach 'Schema F' übergestülpt werden, auch nicht in guter Absicht”, erklärt Alex Stern, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt. „Die Spannbreite unterschiedlicher Unterstützungsbedarfe ist groß, genauso ist es natürlich ein großer Unterschied, ob es sich um eine besondere Wohnform oder Werkstatt handelt oder die Menschen in ihren eigenen Wohnungen ambulant betreut werden und welche Voraussetzungen die Mitarbeitenden mitbringen. Diese Vielfalt spiegelt sich bei der Auswahl unserer Co-Forschenden wider. Wir sehen schon jetzt: Diese unterschiedlichen Perspektiven machen den Index besser! Die Selbstvertretungen der Einrichtungen haben z. B. das Thema seelische Gewalt als besonders wichtig eingestuft und wie Regeln als Disziplinarelement genutzt werden. Wir können auch bei der Datenerhebung nur sinnvolle Antworten erhalten, wenn wir gemeinsam die richtigen Fragen entwickeln. Dieser Austausch ist daher sehr wichtig.”
Im Herbst 2025 startet die Erhebungsphase des Projekts. Auf Basis der geführten Interviews entsteht dann der Index für Gewaltschutz.
finden Sie hier auf der Website von BODYS.