Trauern Jugendliche anders als Erwachsene? Gelten bei ihnen andere Normen? Das hat Angela Siebel, Absolventin des Masterstudiengangs „Soziale Inklusion: Gesundheit und Bildung“, untersucht. Auf Basis ihrer Masterarbeit an der EvH Bochum hat sie nun einen wissenschaftlichen Artikel im renommierten Fachjournal OMEGA – Journal of Death and Dying veröffentlicht. Der Artikel mit dem Titel „Disenfranchised Grief: Which Grieving Rules Do German Mid-adolescents Hold?” widmet sich der Untersuchung von Trauernormen bei Jugendlichen.
„Es geht bei Trauernormen um ungeschriebene Regeln. Wir wissen bereits, welche Normen es unter Erwachsenen gibt, z. B. welche Zeitspanne gesellschaftlich akzeptiert ist, bis man wieder bei der Arbeit erscheint“, erklärt Angela Siebel. Was unter Jugendlichen als ‚normal‘ empfunden wird, ist bisher wenig untersucht. In ihrer Studie befragte die Autorin 226 Schüler_innen im Alter von 14 bis 16 Jahren und untersuchte Trauernormen nach dem Konzept der „entfremdeten Trauer“ (Disenfranchised Grief) von Kenneth J. Doka. Dieses Konzept beschreibt Trauer, die gesellschaftlich nicht anerkannt oder öffentlich gelebt werden kann.
Fehlende Orte und Rituale zum Trauern
Die Befragung offenbarte, dass Jugendlichen Orte und Rituale zum Trauern fehlen. „Es kam etwa die Frage auf, ob es ok ist, wenn man nicht weint – oder ob dieses Verhalten zeigt, dass man nicht traurig genug ist“, erzählt Angela Siebel. Auch Schule und soziale Medien werden von Jugendlichen kaum als Räume der Trauer wahrgenommen. „Dass Trauer in sozialen Medien nicht gezeigt wird, hat mich überrascht. Jugendliche teilen dort vieles, aber bei Trauer ziehen sie sich zurück“, so Angela Siebel weiter.
„Trauer thematisiert man Kindern und Jugendlichen gegenüber aber oftmals nicht, dadurch fehlt ihnen diese Sicherheit. Sie sind von ihrer Trauer irritiert, wissen nicht, ob die Art und Dauer der Trauer, die sie spüren, der Norm entsprechen.“ Bestimmte sichtbare Rituale, wie beispielweise schwarze Kleidung können Handlungssicherheit geben, da sie vorgeben, wie man sich verhalten soll. „Und vor allem sollten wir in der Gesellschaft offener über Trauer sprechen – auch mit den Jugendlichen selbst“, empfiehlt die Expertin.
Neuester Forschungsstand
Angela Siebels Forschung zeigt, dass Jugendliche in mancher Hinsicht ähnliche Trauerregeln wie Erwachsene haben, gleichzeitig jedoch inklusiver sind, etwa bei Verlusten von Ex-Partnern, Haustieren oder Menschen mit Behinderungen. Die Veröffentlichung in einem englischsprachigen, peer-reviewed Fachjournal unterstreiche die hohe wissenschaftliche Qualität ihrer Arbeit, sagen Prof. Dr. Christian Zwingmann und Prof. Dr. Marc Augustin von der EvH, die Angela Siebel als Erst- bzw. Zweitbetreuer bei der Veröffentlichung unterstützt haben. Der Erfolg spiegele auch die akademische Relevanz der Themen, die an der EvH Bochum bearbeitet werden.
Angela Siebels Artikel ist unter OMEGA – Journal of Death and Dying abrufbar.
Was ist beim Trauern 'normal'? EvH-Absolventin Angela Siebel befragte für ihre Studie mehr als 200 Kinder und Jugendliche an sieben verschiedenen Schulen.