Prof. Dr. Hendrik Baumeister und Ann-Sophie Vollmer schleppen sich langsam die Treppe hinauf. Kein Wunder, haben der Dozent für Quartiersentwicklung und die EvH-Studierende doch gute 20 Kilogramm mehr am Leib als sonst. Sie verteilen sich auf zusätzliche Gewichte an den Füßen und Handgelenken sowie auf eine Weste, die alleine schon zehn Kilo auf die Waage bringt. Außerdem vermitteln ihnen eine Halskrause, Bandagen an Ellbogen und Knien sowie Handschuhe den Eindruck, in ihren Bewegungen eingeschränkt zu sein. Wie fühlt sich das an? "Schwer", sagt Ann-Sophie Vollmer. "Jetzt verstehe ich meine Oma besser." Klar, denn hinter der Verkleidung verbergen sich die beiden neuen Alterssimulationsanzüge, die die EvH RWL angeschafft hat. "Ein Anzug kostet inklusive Koffer und Versand 1640 Euro", berichtet Prof. Dr. Birgit Schuhmacher, die im Fachbereich 2 Heilpädagogik und Pflege lehrt. Die Dozentin weiß: Das Gefühl, mehr Gewicht zu tragen, kommt im Alter vor allem vom Abbau der Muskeln.
Bei der Ausrüstung handelt es sich um ein Basispaket. Dabei sind Kopfhörer, die höhere Frequenzen herausfiltern, sowie eine getönte Brille, die das Sehen etwa im Sonnenlicht erschwert. "Da verschwimmen die Konturen", weiß Hendrik Baumeister. Im Koffer findet sich sogar eine Tüte voll Ohrenstöpsel - für diejenigen, die sich in gehörlose Menschen hineinversetzen möchten. Einsetzbar sind die Anzüge in den Studiengängen Soziale Arbeit, Pflegewissenschaft, Gesundheits- und Pflegemanagement sowie Heilpädagogik/Inklusive Pädagogik. Das Ziel: den Fokus auf ältere Menschen und ihre Lebenswirklichkeit zu richten und ihre Einschränkungen zu simulieren.
Der Eindruck bleibt: nicht mehr so beweglich im Alter
Ob Gleichgewichts- oder Koordinierungsprobleme: "Ich habe meinem Sohn schon früh beigebracht, auf der Straße mit dem Rad nicht so nah an älteren Menschen vorbeizufahren", erzählt Birgit Schuhmacher. Denn das Tragen der Anzüge zeigt: Im Alter ist es nicht mehr so einfach, schnell auszuweichen. Und der Eindruck bleibt bei Studierenden, die es einmal ausprobiert haben. "Sie entwickeln mehr Sensibilität und ein gesteigertes Verständnis für die Bedarfe älterer Menschen", ist Schuhmacher überzeugt.
Erste Erfahrungen hat Hendrik Baumeister damit bereits im Rahmen einer Exkursion gesammelt. In Kooperation mit dem Sanitätshaus des Klinikums Bergmannsheil haben er und seine Studierenden sich aufgemacht, Barrieren im Quartier zu erforschen. Mit dabei: Rollstühle, Rollatoren - und eben die Altersanzüge. Praktisch daran: Man kann die Einzelteile auf mehrere Studierende verteilen, so dass jeder eine andere Bewegungseinschränkung ausprobiert. Lehrende, die die beiden Altersanzüge in ihren Seminaren einsetzen wollen, können sich an Birgit Schuhmacher (schuhmacher@evh-bochum.de) und Hendrik Baumeister (baumeister@evh-bochum.de) wenden.
Foto: Gottschick