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"Behinderung in Zeiten von Corona": Vortragsreihe

Im Wintersemester 2020/21 führten das Transfernetzwerk Soziale Innovation (s_inn) und das Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS) in Kooperation mit dem Sozial-Wissenschaftsladen eine digitale Vortragsreihe zum Thema „Behinderung in Zeiten von Corona“ durch. Durch die Kooperation der drei Institutionen, vertreten durch Sinem Malgac und Jens Koller (s_inn), Gudrun Kellermann (BODYS) und Jana Offergeld (Sozial-Wissenschaftsladen), konnte die Vortragsreihe öffentlich über Zoom und YouTube laufen und mit Schrift- und Gebärdensprachdolmetschung begleitet werden.

Den Beginn der Vortragsreihe machte Frieder Kurbjeweit, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Menschenrechte und Behindertenaktivist, mit seinem Vortrag zum Thema „Arbeit, Behinderung, Krise – Wie geht es weiter?“. Er zeigte auf, dass gesellschaftliche Debatten über die Auswirkungen der Pandemie sich vor allem auf den Schutz von „alten Menschen“ konzentrierten, aber zugleich die ebenso gefährdete Gesundheit von jüngeren behinderten und chronisch kranken Menschen ignorierten. Kritik übte er insbesondere an den Isolierungsmaßnahmen für die sogenannte „Risikogruppe“ und dem Ruf seitens der Medizin nach Einführung der Triage.

Im zweiten Vortrag mit der Überschrift „Corona wirkt wie ein Brennglas – Teilhabe und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen in der Pandemie“ zeigte Florian Grams, Historiker und behindertenpolitisch aktiv, verstörende Parallelen beim Gedankengut von einzelnen Wissenschaftler_innen des Nationalsozialismus und der Gegenwart in Bezug auf den Umgang mit Behinderung und Krankheit auf. Dabei ging er u.a. auf die Debatten um die Triage ein, die medizinischem Personal als Entscheidungshilfe dienen soll, nach welchen Kriterien COVID-19-infizierte Menschen für eine stationäre Behandlung aufgenommen werden sollen, falls beispielsweise auf den Intensivstationen nur noch eine begrenzte Zahl an freien Betten oder Beatmungsgeräten zur Verfügung steht.

Teilweise aus eigener Perspektive und teilweise als Beobachter referierte Matthias Seibt, seit 1991 aktiv bei der Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener NRW, über die „Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener im Jahr 2020“. In der interaktiven Diskussionsrunde polarisierte er mit seinen Ansichten, keine Einigkeit mit einigen Menschen aus dem Publikum gab es über den Sinn und Nutzen von Psychopharmaka sowie von psychotherapeutischen Gesprächen. Seibt sprach sich für Zurückhaltung bei der Einnahme von Psychopharmaka aus, wichtiger seien Selbstbestimmung und Aufklärung über die Nebenwirkungen, und zur Psychotherapie hatte er eine skeptische Haltung.

In Kontrast zu den drei Referierenden, die neben ihrer Expertise auch Menschen mit Behinderungserfahrungen waren, wollte die Referentin Dr. Janina Urussowa positive Aspekte der Pandemie aufzeigen. Im Vortrag mit dem Titel „Mein Unternehmen hat den Lockdown nicht bemerkt. Warum die Expertise von Menschen mit Behinderung als Early Adopter digitaler Technologien für die Wirtschaft relevant ist“ verwies sie auf die fortschreitenden Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und deren Gewinn für die Wirtschaft sowie für behinderte Menschen in einem Beschäftigungsverhältnis. Im teilweise behindertenpolitisch ausgerichteten Publikum fielen allerdings kritische Äußerungen, das die Diskussion lieber auf die Missstände lenken wollte und die Leistungsgesellschaft in der Verantwortung für die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen von zahlreichen behinderten Menschen sah.

Rückblick und Ausblick
Die Videomitschnitte, die Transkripte und weitere Dokumente finden sich auf der Website von s_inn und gebündelt bei BODYS unter dem Link https://www.bodys-wissen.de/Online-Vortragsreihen.html. Für das Sommersemester 2021 planen s_inn und BODYS wieder eine gemeinsame Vortragsreihe, die sich mit der Intersektionalität im Kontext von Behinderung befassen wird.



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