Frieden und Freiheit sind Voraussetzung jeder Hochschulkooperation - Stellungnahme der Evangelischen Hochschule Bochum zum russischen Angriff auf die Ukraine
Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine, ein demokratisches und unabhängiges Land, ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir verurteilen ihn auf das Schärfste! Unsere volle Solidarität und unser Mitgefühl gelten den Ukrainer:innen, die in diesen Momenten um ihr Leben fürchten, sich verteidigen oder auf der Flucht sind. Unsere Gedanken sind auch bei allen Menschen die hierzulande oder anderswo um ihre Angehörigen in den Kriegsgebieten und auf der Flucht bangen.
Die Evangelische Hochschule Bochum (EvH) schließt sich den Stellungnahmen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an und schränkt den akademischen Austausch mit der Russischen Föderation ein. Studierende, Lehrende und Forschende aus Deutschland sollen nicht nach Russland ausreisen und bis auf Weiteres keine gemeinsamen Veranstaltungen mit russischen Partnern abhalten.
Bereits im Vorfeld war eine nach Wologda geplante Exkursion im Einvernehmen mit den Studierenden abgesagt worden. Denn „Frieden und Freiheit sind unabdingbare Voraussetzungen für wissenschaftlichen Austausch und Zusammenarbeit“, wie es in der gemeinsamen Erklärung von Land und Hochschulen in NRW richtigerweise heißt. Konkret und in der Konsequenz setzen wir damit schweren Herzens die Kooperationen mit unseren langjährigen Partnern aus der russischen Föderation weitgehend aus.
Schon seit mehr als 25 Jahren pflegt die EvH enge Kooperationen mit russischen Hochschulen - gefördert unter anderem über DAAD- und Erasmus-Programme. In diesen Jahren haben zahlreiche gemeinsame Tagungen, Projekte, Exkursionen und Studierendenaustausche stattgefunden, es wurden Freundschaften und sogar eine Ehe geschlossen. Die Kooperation mit der Staatlichen Universität Wologda entstand im Rahmen diakonischer Hilfsprojekte und entwickelte sich zu einem Netzwerk des Austauschs über Herausforderungen und fachliche Standards der Sozialen Arbeit.
Insbesondere die Kooperation mit der Staatlichen Universität Kursk verstand die EvH auch als Zeichen der Versöhnung, weil dort Hitler-Deutschland die größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs gegen Russland führte und nahezu jede Familie Todesopfer erinnert. Die Kooperationen folgten der Idee Gorbatschows von einem gemeinsamen „Haus Europa“, dessen Teil Deutschland und Russland werden sollten. Diese Idee halten wir nach wie vor für richtig! Es zeichnet sich aber schon länger ab, dass diese Vision, die den Krieg im Herzen Europas hätte verhindern können, gescheitert ist. Auch in unseren Kooperationen war das spürbar. Wir bedauern das zutiefst!
Gleichzeitig ist es uns wichtig, Gesprächskanäle offen zu halten, etwa über die Mobilität der Studierenden der russischen Partnerhochschulen nach Deutschland. Deren Teilnahme am International Study Programme 2022 in Bochum wird aufrechterhalten, sofern die Ausreise in dieser hochdynamischen Situation überhaupt möglich ist. Es bleibt eine Gratwanderung, die „Balance zwischen einem Offenhalten von Verbindungen und einem klaren politischen Signal, auch im Bereich der Wissenschaft“ zu halten.
Die EvH wird sich an der Unterstützung und Integration geflüchteter Studierender und Studieninteressierter nach Kräften beteiligen. Die Erfahrungen nach 2015 und die aufgebauten Strukturen werden uns dabei helfen. Zu bedenken ist auch, dass es 75.000 ausländische Studierende in der Ukraine gibt, von denen 25 Prozent aus dem afrikanischen Kontinent kommen. Wie viele Menschen aus der Ukraine bzw. Drittstaaten nach Bochum kommen werden, ist ungewiss.
Auf die Diversität und vor allem auch unterschiedliche Vulnerabilität der Geflüchteten weist eine Stellungnahme des Bochumer Zentrums für Disability Studies (BODYS) hin: https://www.evh-bochum.de/artikel/bodys-behinderte-menschen-in-ukraine-nicht-vergessen.html Darin wird die Einhaltung internationaler humanitärer Standards bei allen Hilfen einschließlich der Befolgung der IASC-Leitlinien und Art. 11 der UN Behindertenrechtskonvention zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Maßnahmen gefordert.
Als Hochschule, an der Fachkräfte für das Sozial- und Gesundheitswesen ausgebildet werden, teilen wir die Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA), wie „schnell Beziehungen zerstört werden können und wie lange und schmerzvoll Prozesse der Regeneration und des Heilens sein können“. Wir halten es für wichtig, dass die EU zum einen „politische Praktiken und Ressourcen" bereitstellt, um "die Schutzsuchenden mit offener Haltung willkommen heißen zu können“, zum anderen „alle verallgemeinernden Ressentiments, Hass oder Diskriminierung gegenüber Menschen“ zurückzuweisen.
Nicht die ethnisierte Herkunft, sondern die gemeinsame Haltung für Frieden sind entscheidend, wie weltweite Proteste zeigen - auch von mutigen russischen Studierenden, Lehrenden und Forschenden, die sich trotz harter Repressionen trauen "Nein zum Krieg" zu sagen. Krieg, so auch dieser, richtet sich gegen die Grundwerte der Freiheit, der Demokratie und vor allem der Menschlichkeit. Denn Krieg setzt die Inhumanisierung des Gegenübers voraus und erzeugt unermessliches Leid. In dieser dunklen Zeit ist unser tiefstes Mitgefühl bei den Menschen in der Ukraine.
Bochum, 3.3.2022
Das Rektorat der Evangelischen Hochschule RWL
Der AStA der Evangelischen Hochschule RWL