„Stark in Lehre und Forschung, stark im Transfer“: Die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (EvH RWL)
hat ihren 50. Geburtstag jetzt mit einem Festakt gefeiert
Die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (EvH RWL) in Bochum ist ein halbes Jahrhundert alt! Im Rahmen eines hybrid gestalteten Festakts wurde am Mittwoch der runde Geburtstag gefeiert. „Mit unseren 50 Jahren gehören wir zur Gründergeneration der Fachhochschulen – heute Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, kurz HAWs“, betonte EvH-Rektorin Prof. Dr. Dr. Sigrid Graumann in ihrem Grußwort in der Aula. „Wir forschen und lehren interdisziplinär und praxisnah, bilden Fachkräfte für die Region aus und leisten einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.“ So seien zahlreiche EvH-Studierende die ersten in ihrer Familie überhaupt, die studierten.
Ein Erfolgsmodell also: In Deutschland seien allein 40 Prozent der Studierenden an HAWs eingeschrieben. 1968 hätten die Ministerpräsidenten die Umwandlung höherer Fachschulen in Fachhochschulen beschlossen, warf Graumann einen Blick in die Historie. Dazu gehörten neben den Ingenieursschulen, an denen vorwiegend Männer waren, auch die kirchlichen Fachschulen für soziale Berufe, an denen vor allem Frauen ausgebildet wurden. „Unsere Hochschule mit sechs Bachelor- und zwei Master-Studiengängen für soziale Berufe und mittlerweile fast 2700 Studierenden geht auf diese Fachschulen zurück.“ Die Ausstellung „50 Jahre EvH“, die im Außenbereich der Hochschule zu sehen und auf der Homepage nachzulesen sei, beleuchte diese Ursprünge.
Stark in der anwendungsbezogenen Lehre und Forschung, stark im Transfer: Auch Isabel Pfeiffer-Poensgen, NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft, betonte in ihrem digitalen Grußwort den Stellenwert der HAWs: „Seit nunmehr 50 Jahren sind sie fester und eigenständiger Bestandteil der Hochschullandschaft.“ Dies führe zum Erfolg, insbesondere dann, wenn die Verbindung von Tradition und Moderne die Entwicklung einer Hochschule präge – wie die EvH RWL als staatlich anerkannte, refinanzierte Hochschule in kirchlicher Trägerschaft beweise.
"Lebhafter Ort für Lehre, Forschung und Transfer"
Im Bewusstsein der besonderen sozialen Verantwortung trage sie seit 50 Jahren zu Professionalisierung und Akademisierung sozialer Berufe bei. „Bis heute blickt die EvH auf eine gelungene Entwicklung zurück, die auch zu einer guten Vernetzung in der Stadt Bochum und der Region geführt hat“, stellte die Ministerin heraus. Eine wichtige Rolle spielten dabei nationale Hochschulverbünde und internationale Kooperationen.
So habe die EvH gemeinsam mit der Katholischen Hochschule NRW im Rahmen des Bundländerprogramms Innovative Hochschule erfolgreich Fördermittel für das Projekt Transfernetzwerk Soziale Innovation s_inn eingeworben. „Als lebhafter Ort für Lehre, Forschung und Transfer orientiert sie sich dabei stets an freiheitlichen, christlich-humanitären Werten – ein Anspruch an sich selbst, der sie zu einer interkulturellen, inklusiven und familienfreundlichen Hochschule macht, die für die Zukunft sehr gut aufgestellt ist“, resümierte Pfeiffer-Poensgen.
Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, gratulierte ebenfalls digital. „50 Jahre, eigentlich 61, eigentlich sogar 91, und in Wirklichkeit 104 Jahre EvH samt ihren Vorläufereinrichtungen. Das ist eine lange Strecke mit einer wechselvollen Geschichte, mit verschiedenen Namen und an verschiedenen Orten“, blickte sie zurück. Über die Jahre und Jahrzehnte lasse sich an dieser speziellen Historie ein Gutteil allgemeiner Geschichte ablesen.
"Hohe Kompetenz der Lehrenden und engagierte Studierende"
„Die Geschichte der Universitäts- und Hochschulentwicklung in NRW. Die Forschungs- und Wissenschaftsgeschichte in unserem Land. Die Geschichte von Gemeindearbeit, Sozialer Arbeit und Pädagogik“, zählte Kurschus auf und fuhr fort: „Die Entwicklung des Sozialstaates mit seinen Errungenschaften und Anfechtungen. Die Geschichte der Trägerkirchen und ihres Selbstverständnisses als Akteurinnen in der Gesellschaft. Und nicht zuletzt die Berufs- und Geschlechtergeschichte innerhalb der Kirche und weit über die Kirche hinaus.“
Die EvH werde die notwendigen Veränderungen auch weiterhin nicht nur abbilden und begleiten, vielmehr werde sie sie antizipieren, den Wandel mitgestalten und prägen. Dies gelinge durch die hohe Kompetenz der Lehrenden sowie durch engagierte Studierende, die an der Hochschule nicht nur zu hervorragend ausgebildeten, sondern im Wortsinne umfassend gebildeten Absolvent_innen würden. Und es gelinge durch den evangelischen Geist und die protestantische Kultur von Leben und Lehre. All das ziehe sich wie einer roter Faden durch die Äußerungen, sobald das Stichwort Evangelische Hochschule falle.
Auch Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch würdigte in seinem digitalen Grußwort 50 Jahre erfolgreicher Bildungsarbeit am Standort Bochum: „Wir sind alle stolz, dass die größte evangelische Hochschule Deutschlands hier bei uns in Bochum ihr Zuhause hat.“ 700 Jahre Bochum und 50 Jahre EvH RWL: Das Doppeljubiläum symbolisiere hervorragend die Verbindung zwischen Hochschule und Stadt. 1971, im Gründungsjahr der EvH, sei das Zechensterben in der einstigen Kohlehauptstadt Europas in vollem Gange gewesen. Bochum habe sich neu positioniert und auf das Thema Bildung gesetzt, mit dem Ziel, zum modernen Wissenschaftsstandort zu werden.
"Wichtiger Beitrag zur Gestaltung einer offenen Gesellschaft"
„Dass das gelungen ist, ist auch der EvH zu verdanken“, so Eiskirch. Sei sie doch Mitbegründerin des Vorläufers des UniverCity-Netzwerkes und damit bereits von erster Stunde an „wichtige Partnerin bei der Gestaltung der Gesellschaft von morgen, in der Bochum auf Wissen setzt“. Durch ihre chancen-gerechte und inklusive Ausrichtung setze die Hochschule Signale mit Außenwirkung. Beispiele seien das Tandem-Programm, bei dem jeder geflüchteten Person ein Student oder eine Studentin zur Seite gestellt werde, Stipendien für Studierende mit Fluchthintergrund und das Café International als Treffpunkt für den kulturellen Austausch. So gelinge es der EvH, christliche Werte wie Nächstenliebe in den Hochschulalltag zu integrieren.
Indem sie nicht nur Wissen, sondern auch Werte vermittle, leiste die Evangelische Hochschule einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung ihrer Studierenden in sozialen Berufen sowie zur Gestaltung einer offenen Gesellschaft. „Einer, in der man sich umeinander kümmert. In der niemand durch die Maschen fällt, die solidarisch füreinander da ist.“
Nicht zuletzt werde die Relevanz der EvH für den Zusammenhalt und das Zusammenleben in Bochum an Projekten wie dem Schwanenmarkt 1, dem Labor für Kunst und soziale Recherche, deutlich. Hier sei unter Federführung der Lehrenden und Studierenden und in Kooperation mit der Stadt ein moderner, innovativer und lebendiger Kreativ- und Lernraum entstanden. „Zugleich ein Ort, der die Bürger_innen aktiv mit einbezieht und mit seinen Aktionen als Schnittstelle zwischen der Hochschule und der Stadtgesellschaft fungiert“, so Eiskirch.
"Besondere Bedeutung der gemeindepädagogischen Ausbildung"
Landessuperintendent Dietmar Arends gratulierte online im Namen der Lippischen Landeskirche: „Gerne gehören wir zum Kreis der Trägerinnen - zum einen, weil uns am evangelischen Profil in der Bildungslandschaft liegt, zum anderen, weil wir seit Jahrzehnten die guten Wirkungen der Hochschule für uns wahrnehmen.“ So genieße die gemeindepädagogische Ausbildung in Lippe besondere Bedeutung. Gerade Kirche in der Fläche entdecke zunehmend den Stellenwert gut ausgebildeter Gemeindepädagog_innen für die Entwicklung der Gemeinden.
Künftig würden Mitarbeitende gebraucht, die sich in multiprofessionellen Teams bewährten. Gut ausgebildet, leisteten Gemeindepädagog_innen einen unverzichtbaren Beitrag zur Kommunikation des Evangeliums in Kirche und Diakonie. Beschränkte sich dieser Dienst früher oftmals auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, so eröffne multiprofessionelle Teamarbeit nun neue Tätigkeitsfelder und Arbeitsschwerpunkte, „mit einem Zugewinn an Leitungsverantwortung für pädagogische Mitarbeitende“.
Arends zeigte sich zuversichtlich, dass dies künftig die Kirche, aber auch Inhalte und Anforderungen an die Ausbildung beeinflusse. „Zur erfolgreichen Gestaltung von Veränderungsprozessen knüpfen wir daher dankbar an einen intensiven und vertrauensvollen Kontakt zwischen Trägerinnen und Hochschule an“, würdigte er. Ein regelmäßiger Austausch zwischen Lehre und Praxis stelle zudem sicher, dass junge Menschen auch künftig gut vorbereitet und ausgebildet ihren Dienst in Kirche und Diakonie versähen.
"Einmischen in die Diskussionen unserer Wissenschaften"
Wie Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, in seinem digitalen Grußwort herausstellte, folge nach biblischer Zeitrechnung „nach sieben mal sieben Jahren ein so genanntes Jubel- oder Jobeljahr. Ein Jahr der Befreiung von allen weltlichen Zwängen als Erinnerung daran, dass wir letzten Endes Gott gehören.“ Ein solches Jubel- und Jobeljahr wünsche er der Evangelischen Hochschule.
50 Jahre sehr erfolgreicher Tätigkeit lägen hinter der EvH: „50 Jahre, in denen Sie sich eine besondere wissenschaftliche Reputation erworben, junge Menschen qualifiziert haben.“ Trügen die EvH-Absolvent_innen doch etwas von der Idee des Jubel- und Jobeljahres hinein in die Gesellschaft. Dementsprechend sei die rheinische Kirche froh, gemeinsam mit der westfälischen und lippischen Kirche EvH-Trägerkirche zu sein. „Das ist uns wichtig, weil wir gern einen Beitrag zu einer freien Gesellschaft leisten, weil wir uns selbstbewusst auf dem Hintergrund christlichen Glaubens in die Diskussionen unserer Wissenschaften in Deutschland einmischen und zu einem guten Dialog von Theorie und Praxis beitragen wollen“, betonte Latzel. „Und weil uns daran liegt, junge Menschen zu stärken, damit sie Botschafter dieser Idee des Jubel- und Jobeljahres in der Welt sind.“
Auch die drei Bochumer Landtagsabgeordneten Serdar Yüksel, Carina Gödecke und Prof. Dr. Karsten Rudolph sandten Glückwünsche „nach Bochum, in unsere Heimatstadt“. Gefeiert würden in diesem Jahr nicht nur die Geburtstage der Ev. Hochschule und der Stadt Bochum, sondern auch 75 Jahre Land NRW, 75 Jahre Landtag – und damit 75 Jahre Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Überdies „erfreulicher Weise 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Besonders Yüksel als EvH-Alumnus der Pflegewissenschaft würdigte eine „echt tolle Zeit“. Er habe aus seinem Studium eine Menge Rüstzeug für seine politische Arbeit mitnehmen können.
"Der Beruf des Hochschullehrers als Privileg"
Nachdem Altkanzler Klaus Meinert in Präsenz die ersten Jahre der damaligen Evangelischen Fachhochschule – „als es 1971 zunächst weder Personal, noch Mobiliar gab“ – skizziert hatte, beleuchtete Prof. Dr. Gerhard K. Schäfer, früherer EvH-Rektor, die Verbindung der Hochschul-Geschichte mit der gesellschaftlichen Bedeutung der Diakonie (die gesamte Rede: siehe unten). „So wie die Diakonie einen allgemein-gesellschaftlichen Auftrag im Sozialsystem hat, so erfüllen wir einen öffentlichen Bildungsauftrag“, hatte Sigrid Graumann seinen Beitrag angekündigt.
Die Pionierrolle der EvH in Sachen Professionalisierung und Akademisierung sozialer Berufe arbeitete Prof. Dr. Kristin Sonnenberg, langjährige Studiengangsleiterin in der Sozialen Arbeit, in ihrem Festvortrag heraus (die gesamte Rede: siehe unten). „Der Beruf des Hochschullehrers ist ein Privileg“, zitierte sie die Worte eines EvH-Kollegen. „Wir dürfen in Ausbildung, Wissenschaft und Praxis tätig sein und junge Menschen auf ihrem Übergang in eine soziale Profession begleiten.“ Dies bedeute, dass sie in den Bereichen Pädagogik – Wissenschaft –Management ausbildeten – und zwar auf Augenhöhe mit den Studierenden und in Kooperation mit den Nutzer_innen und Adressat_innen ihrer Unterstützungsangebote.
„Erinnerungen schaffen“: Mit großer Spannung erwartet, wurden nach den Rede-Beiträgen die Gewinner_innen der Ausschreibung „Jubiläumskunstwerk“ vorgestellt. Ob Skulptur, Gemälde, Fotoausstellung, Video- oder Lichtinstallation, Musik-Theater, Song/Hymne oder Text: Im Rahmen des Jubiläums waren alle Hochschul-Angehörigen eingeladen gewesen, ein Kunstwerk zum Thema „50 Jahre EvH“ zu schaffen. Die Werke sollen künftig auf dem Gelände der Hochschule zugänglich sein und etwas Bleibendes, Repräsentatives darstellen.
Kunstwerke bleiben der Öffentlichkeit zugänglich
Zwei Einsendungen konnten die Jury überzeugen, wie die Moderator_innen des Festakts, Prof. Dr. Kathrin Römisch und Prof. Dr. Benjamin Benz, den Anwesenden in der Aula und an den Bildschirmen verrieten. Mit ihrer Ytong-Skulptur "WANDLUNG" enthüllte Christiane Maas-Friedrich, Studentin der Sozialen Arbeit, einen schwarz-grauen Block, auf dem eine Säule aus regenbogenfarbigen Strängen ruht. Die Farben verlaufen durch vertiefte Linien, die dem U-Bahnsystem der Stadt Bochum entsprechen. Der Block stehe für die Stadt, welche durch Bergbau und Industrie geprägt wurde. „Die Säule symbolisiert zum einen die Verbindung zu Gott und zum Glauben, gleichzeitig steht sie für Vielfalt und Frieden“, erläuterte Maas-Friedrich. Die Skulptur wird künftig im Foyer der Hochschule zu sehen sein.
Zweiter Preisträger: Karl-Magnus Reimann. Ebenfalls Student der Sozialen Arbeit, Mitglied und Präsident des Studierendenparlaments, lässt er Interessierte gerne und regelmäßig bei den EvH-„Wohnzimmerkonzerten“ an seiner privaten Leidenschaft für Musik teilhaben. Im Rahmen des Kunst-Wettbewerbs habe er der Hochschule etwas zurückgeben wollen, wie er während des Festakts betonte. Sein Song „Nichts ist normal“ bleibe künftigen Generationen als Musik-Stück mit Video auf der EvH-Homepage erhalten. Die Idee dahinter: die Attribute und Werte der Hochschule in musischer Weise darzustellen. Seien die EvH und die Menschen, die sie verbinde, doch Teil seiner eigenen Identität und hätten seine Entwicklung nachhaltig geprägt.
Natürlich war zwischen den Rede-Beiträgen auch für kulturelle Zerstreuung gesorgt. So präsentierte die Singer-Songwriterin Miriam Schäfer, musikalische Leiterin der „Creative Kirche Lokal“, die Titel „10 000 Gründe“ und „Lean on me“. Der EvH-Studierende Michael Zabudkin begeisterte mit einer Beatbox-Einlage. Und die ehemalige Lehrende Prof. em. Dr. Hildegard Mogge-Grotjahn knüpfte an ihren EvH-Science Slam-Erfolg an und ließ in ihrem Beitrag „Ich möchte gerne dazu gehören! Über Identität(en) und Ungleichheit(en)" auf gewohnt humorvolle Weise ihren persönlichen "Intersektionalitätsindex" ermitteln.
Sehen Sie die Aufzeichnung des Livestreams:
Zum Aufruf unter Youtube, verwenden Sie folgenden Link: https://www.youtube.com/watch?v=we2F93LlhLw