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Heike Schmidtchen im Abschieds-Interview
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Heike Schmidtchen im Abschieds-Interview

Am 1. Januar 2020 übergibt EvH-Kanzlerin Heike Schmidtchen das Amt an Iris Litty. Im Interview blickte Schmidtchen nun zurück und voraus.

Wie fällt Ihre Bilanz der letzten 21 Jahre aus?
Keinen Tag langweilig! Natürlich lernt man im Laufe der Jahre eine ganze Menge neu. Auch die Persönlichkeit verändert sich dabei, man wird beispielsweise geduldiger.

Und das Handwerkszeug dafür hatten Sie anfangs schon mitgebracht?
Ich hatte schon vorher in Leitungsfunktionen gearbeitet, aber natürlich hat jede Leitungsfunktion ihre eigenen Herausforderungen. So hat es im Hochschulbereich in der Zeit an der EvH enorm viele Veränderungen gegeben. Veränderungen sind etwas, was die meisten Menschen nicht so gerne mögen. Also muss man versuchen, sie, so gut es irgend geht, mitzunehmen. Als ich jetzt meine Zweitwohnung in Bochum aufgelöst habe, habe ich das Vorlesungsverzeichnis des Wintersemesters 1997/98 gefunden. Dabei ist mir bewusst geworden, wie sehr unsere Hochschule seitdem gewachsen ist und wieviel Arbeit diese Veränderungen für alle Beteiligten, insbesondere für die Verwaltung, mit sich gebracht haben.

Mögen Sie Veränderungen wie diese?
Ja! Ohne Veränderungen gäbe es Stillstand, und Stillstand langweilt mich. Aber man muss immer schauen, wo es sinnvoll ist, Veränderungen anzusetzen – und wo nicht. Und vorher genau darüber nachdenken. Wir haben eine Buchreihe, die heißt „Denken & Handeln“. Einer meiner Wahlsprüche lautet: Bitte in dieser Reihenfolge!

Sie haben viele Menschen kommen und gehen gesehen – wer von ihnen hat Sie am meisten geprägt?
Eigentlich meine Kanzler-Kollegen und -kolleginnen, weil ich mit ihnen doch recht offen sprechen kann. Ich glaube, dass eine Führungsposition innerhalb der eigenen Einrichtung auch ein Stück einsam macht, weil Offenheit in bestimmten Angelegenheiten wie z.B. Personalfragen nicht immer möglich ist.

Offenheit niemandem gegenüber?
Nur mit ganz wenigen Personen.

Zuhause?
Mein Mann ist auch ein Stückchen mein Coach. Ich mag dieses: „Meine Frau hat mir den Rücken freigehalten“ in Abschlussreden nicht so gern hören. Mein Mann ist ein Partner, der gerade in den ersten Jahren wirklich mein Coach war und mir auf eine sehr nette, freundliche Art gezeigt hat, a) wie Männer denken – das ist nochmal eine andere Perspektive – und b) wo ich vielleicht auch Fehler mache. Wenn einem das auf eine nette Art und Weise gesagt wird, kann ich es auch gut annehmen.

Was qualifizierte ihn dazu?
Er ist zwar kein ausgebildeter Coach, hat aber lange in Führungspositionen gearbeitet, entsprechende Lehrgänge und Fortbildungen besucht und das an mich weitergegeben.

Wie sieht es mit Weggefährten innerhalb der Hochschule aus?
Da sind einmal die Rektoren und die Rektorin. Durch die unterschiedlichen Funktionen von Kanzler_in und Rektor_in entstehen natürlich auch fast zwangsweise Reibungen. Ein Rektor, eine Rektorin muss Visionen für die gesamte Hochschule haben, das ist ganz wichtig. Ein Kanzler, eine Kanzlerin muss dagegen insbesondere den finanziellen und rechtlichen Rahmen sowie die  vorhandenen Ressourcen im Auge behalten. Die Herausforderung besteht darin, diese beiden Interessenlagen in Einklang zu bringen. Und es ist natürlich, dass es dabei auch mal Reibereien gibt. Letztlich ist wichtig, dass beide Seiten die Interessen der Hochschule im Auge haben.

Mit wem hat es besonders gut geklappt?
Mit Rektor Schäfer hat es nach anfänglichen Reibungspunkten sehr gut geklappt. Auch habe ich mit Rektor Marenbach gut zusammengearbeitet. Und auch mit der jetzigen Rektorin funktioniert es gut, wobei ich an ihr besonders schätze, dass ich mit ihr über eine Sache engagiert und fair streiten kann, ohne dass etwas nachgetragen wird.

Das wird sie mit Interesse lesen...
Davon gehe ich aus. Zum Thema Weggefährten muss ich noch sagen, dass natürlich auch Frau Schmidt dazu gehört, die schon sehr lange im Rektoratssekretariat ist. Später kamen dann Frau Kruhöfer und Frau Zebeljan dazu. Allerdings ist Frau Schmidt insbesondere für mich zuständig und über die Kombination unserer Namen  Schmidt/Schmidtchen wurde häufig nicht nur geschmunzelt.

Was waren die Höhepunkte in gut zwei Jahrzehnten Kanzlerschaft?
Die mehrfachen Finanzierungsverhandlungen mit dem Land und den Trägerkirchen und natürlich die verschiedenen Bauvorhaben. Aber auch die Veränderungen, die die Hochschule insgesamt durchlaufen hat. Anfangs hatten wir fünf Studiengänge in fünf Fachbereichen. Heute sind es zwar nur zwei Fachbereiche, allerdings mit insgesamt acht Studiengängen. Weiterhin wurde das Bachelor-/Mastersystem eingeführt und dafür das Diplom aufgegeben. Ebenso fiel das Anerkennungsjahr weg.

Bei den oben genannten Finanzierungsverhandlungen war Ende 2009 der neue Finanzierungsvertrag mit Wissenschaftsminister Pinkwart ein besonderer Meilenstein. Die damit verbundenen Verhandlungen waren äußerst zäh und langwierig und haben viel Energie gekostet. Zusammen mit den später ergänzten Regelungen für die Qualitätsverbesserungsmittel sowie für den Hochschulpakt III führten sie zu einer deutlichen Qualitätssteigerung hinsichtlich Lehre und Studienbedingungen.

Ein weiterer, aber dauerhafter Höhepunkt ist die Digitalisierung. Als ich an der EvH anfing, bekamen die Lehrenden noch alte benutzte PCs aus der Verwaltung. Mein Vorgänger hatte sogar noch gar keinen eigenen PC. Das Dozentengebäude war anfangs noch nicht mit den besonderen LAN-Kabeln vernetzt, sondern mit einfachem Klingeldraht. Die Umstellungen bedeuteten seinerzeit eine wirkliche Revolution.

Was ist ein Klingeldraht?
Wenn Sie unten klingeln und oben macht´s dingdong - dann ist das durch einen kleinen Draht verbunden.

Fast wie Rohrpost…
Ja, so ähnlich.

Stichwort Aufstockung der Bibliothek und Ausbau des Grundstücks – fällt es Ihnen schwer, das alles jetzt loszulassen? Nein, ich habe einen sehr guten Eindruck von meiner Nachfolgerin und bin diesbezüglich völlig beruhigt. Der notarielle Vertrag zum Kauf der Grundstücke ist leider noch nicht geschlossen, das würde ich gern noch in meiner restlichen Dienstzeit zum Abschluss bringen. Später, wenn die Grundstücke bebaut werden, komme ich gerne zu jeder Gebäudeeinweihung auf ein Glas Sekt vorbei.

Meinen Abschied sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich werde die Menschen sicherlich vermissen, freue mich aber auf die Zeit danach.

Wovon fällt der Abschied am schwersten?
Von den Menschen, mit denen ich im Rahmen meiner Tätigkeit zusammenarbeiten durfte. Bei vielen habe ich mitbekommen, wie sie Kinder bekamen, wie die Kinder groß geworden sind, was sich alles verändert hat. Es wäre schön, gelegentlich zu hören, wie so manche Geschichte weitergeht.

Man wurde gemeinsam älter.
Ja, ich habe mit meinen Kollegen und Kolleginnen eindeutig mehr Zeit verbracht als mit meinem Mann.

Das ändert sich jetzt - und da wären wir dann auch schon beim Blick in die Zukunft…
Erstmal muss ich die Bochumer Wohnung auflösen, was mir doch recht schwerfällt; da heißt es, Abschied nehmen von vielen lieb gewonnenen Dingen. Dann muss ich mich an die neue Lebenssituation in Bonn gewöhnen, 24/7 statt 24/2 mit meinem Mann verbringen. Die neu gewonnene Zeit werde ich mit dem einen oder anderen Ehrenamt füllen, aber auch mit vielen schönen Reisen.

Wohin geht es als nächstes?
Die nächste größere Reise geht im Sommer nach Kanada und Alaska. In Alaska freue ich mich insbesondere auf die Aleuten. Auf diese Inselkette kommt man nur mit dem Schiff.

Außerdem habe ich jahrelang meinen Geburtstag nicht gefeiert, weil es zu schwierig war, das von Bochum aus zu organisieren. Nun wird es voraussichtlich eine große Feier geben, die mit einer Wanderung im Siebengebirge beginnt und mit dem - im Rahmen von Rhein in Flammen stattfindenden - Feuerwerk enden wird. Darüber hinaus werde ich mich um meinen 100-jährigen Vater kümmern. Alles in allem warten also eine ganze Menge Aufgaben auf mich.

Es wird nicht langweilig…
Das wäre neu in meinem Leben.

Wenn wir Sie in einem Jahr anrufen, was sagen Sie dann?
Dann würde ich wahrscheinlich sagen: Wer sind Sie? (lacht) Ich kann mir ein Leben ohne Hochschule gut vorstellen. Ich habe in meinem Leben immer sehr interessante Dinge gemacht, und ich freue mich darauf, etwas Neues anzugehen und wünsche mir natürlich Gesundheit dabei.

Was geben Sie Frau Litty mit auf den Weg?
Ich bin überzeugt, sie wird ihren eigenen Weg gehen. Für die Hochschule glaube ich, dass in diesem Wechsel eine Chance liegt. Gerade beim Thema Digitalisierung ist es sicherlich von Vorteil, dass Frau Litty deutlich jünger ist als ich. Ich wünsche mir natürlich, dass sie dabei die Datensicherheit im Kopf hat, die mir immer ein wichtiges Anliegen war.

Und was würden Sie der Hochschule mit auf den Weg geben?
Offen zu sein für neue Entwicklungen. Aber auch zu schauen, dass wir das, was in unserem evangelischen Auftrag ist, immer im Kopf behalten: das Menschenbild Gottes, das christliche Verständnis, das christliche Leben als Bereich unserer Kultur. Kirche ist ja häufig in der Kritik. Wir erreichen viele Menschen nicht mehr, die aus der Kirche ausgetreten sind. Dabei wird doch von ihr wahnsinnig viel gute Arbeit geleistet. Zudem gibt sie viele Impulse für ein gutes und wertschätzendes Miteinander. Die EvH sollte hierzu immer ihren Beitrag leisten.

Haben Sie zum Abschluss noch etwas auf dem Herzen?
Dass ich dieser Hochschule und ihren Mitgliedern alles Gute und Gottes Segen wünsche!

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