Menu
Mouhanad Khorchide zu Gast an der EFH RWL
Bild verkleinern

Mouhanad Khorchide zu Gast an der EFH RWL

Ringvorlesung präsentiert hochkarätige Referenten

Er kam ohne Personenschutz und ohne Dienstwagen, dafür ganz schlicht mit dem Zug: Im Rahmen der Ringvorlesung sprach am 9. Mai ein prominenter Referent zu den rund 50 Zuhörern in der Aula, der bereits im Herbst 2012 mit seinem Buch „Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion“ für Aufsehen gesorgt hatte. Hochschul-Seelsorgerin Brigitta Haberland und Prof. Dr. Cinur Ghaderi vom Fachbereich „Soziale Arbeit/ Psychologie“ begrüßten mit Prof. Dr. Mouhanad Khorchide – seit 2010 Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität zu Münster und dort Leiter des Zentrums für Islamische Theologie – den „Vertreter eines humanistischen Islam“.

“Gewalt und Islam - Hintergründe  und Auswege“: Immer wieder berufen sich muslimische Extremisten auf Stellen aus dem Koran, legitimieren ihre Gewalt in seinem Namen. Wie diese  Stellen heute im Zeichen des Friedens gelesen und entschärft werden können - wie sozusagen ein barmherziger Islam als Alternative für einen extremistischen Islam dienen kann -, das zeigte Khorchide während seines Vortrags auf.

1971 im Libanon geboren, wuchs Mouhanad Khorchide in Saudi-Arabien auf. Er studierte islamische Theologie im Libanon und promovierte in Wien in Soziologie. Als einer der bedeutendsten muslimischen Theologen der Bundesrepublik bildet er Lehrer für den künftigen islamischen Religionsunterricht aus.

Einen ersten Aufschlag für die Ringvorlesung hatte Eva van Keuk, Dipl. Psychologin und Psychotherapeutin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge sowie Menschenrechtsbeauftragte des Bundes Deutscher Psychologen, bereits am 18. April mit ihrem gutbesuchten Vortrag „Kultur, Gesundheit und Schutzbedürftigkeit“ gemacht.

Sie lud anhand von sehr konkreten Praxisbeispielen ein, Stolpersteine für Öffnungsprozesse in der Arbeit mit Flüchtlingen zu erkennen. Hierbei verwies sie auf gesetzlichen Grundlagen ebenso wie auf  institutionelle Barrieren und transkulturelle Kompetenzen in konkreten Interaktionen, wenn Geflüchtete Institutionen des deutschen Gesundheits– und Sozialwesen aufsuchen.

Flüchtlinge, so Keuk, sind vielfachen Belastungen ausgesetzt, ein erheblicher Teil von ihnen leidet unter Traumafolgestörungen. Zugleich aber stellen sie mit den Fluchtwegen ihre Ressourcen und ihren Überlebenswillen unter Be­weis. Nur etwa 30 Prozent der traumatisierten Flüchtlinge benötigten eine spezifische Behandlung. Jedoch erhöhe sich ohne gute Lebensbedingungen das Risiko einer Chronifizierung.

Daher plädierte Keuk für präventive niedrigschwellige Maßnahmen und spezifische Behandlungsmöglichkeiten. Im Umgang mit Fremden und Vertrauten in der Begegnung regte sie an, bewusst „Schubladen“ als Analyseheuristiken zu verwenden, wie kollektivistische und individualistische Wertorientierungen, Machtunterschiede (Exklusion/Inklusion), Milieuzugehörigkeit und Diversitätskriterien.

Eine lebendige Diskussion im Anschluss rundete den Abend ab.

Der zweite Vortrag der Ringvorlesung – ein Beitrag von Dr. Kamal Sido, Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen - gab der Zuhörerschaft in der gut besuchten Aula am 2. Mai einen differenzierten Überblick über Hintergründe, Entwicklungen und Perspektiven der politischen Situation im Nahen Osten am Beispiel Syriens. Dabei lag der Fokus auf der Islamisierung des Terrors durch den Islamischen Staat.

Dr. Kamal Sido  stellte die verschiedenen ausländischen Akteure der syrischen Revolte vor, die gegen oder für das Assad Regime kämpfen und dabei eigene widerstreitende, geopolitische Interessen verfolgen.  Besondere Aufmerksamkeit galt der Terrororganisation IS, die den mittleren Teil Syriens erobert hat. Nach Sido  ist die besondere Gefährlichkeit des IS begründet in seiner guten waffentechnischen Ausrüstung, der guten Ausbildung der Kämpfer an modernen Waffen und der Finanzierung durch Privat-Spenden aus Katar, Saudi-Arabien, VAE und der Türkei und letztlich durch die Bereitschaft zum skrupellosen Einsatz aller Mittel und dem Expansionsanspruch des IS, den gesamten Mittelmeerraum in IS- Kalifat einzubinden.

Sido machte deutlich, dass der aktuelle Krieg in Syrien nicht nur ein Schauplatz innersyrischer Konflikte, sondern ein vielschichtiger Kampf sehr unterschiedlicher Gruppierungen um die Vorherrschaft im Nahen Osten und um den Zugang zu den dortigen Energiequellen und Transportwegen ist. So geht es um das zukünftige Gesellschaftsmodell des syrischen Staates, aber auch um Konflikte zwischen ethnisch-religiösen Gruppen, um sunnitisch-schiitische Konflikte, um die regionale Vorherrschaft und machtpolitische Interessen der Nachbarstaaten und internationalen Großmächte wie den USA, Russland und China. Sido beleuchtete in diesem Zusammenhang auch die Rolle Deutschlands.

Kleinere Minderheiten, wie Armenier, Assyrer/Aramaer, Alawiten, Christen, Drusen, Ismailiten, Yeziden stünden in der Konfliktlage in Syrien in der Gefahr, unterzugehen.

Islamisten wie auch das syrische Regime begingen im gesamten Land Kriegsverbrechen, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden habe, so dass inzwischen die Hälfte aller Syrer auf der Flucht sind - die meisten davon im eigenen Land.

Angesichts der komplexen Konfliktlage ist eine Befriedung Syriens in naher Zukunft nicht zu erwarten. Die Veranstaltung endete mit einer sehr lebendigen Fragerunde an den Referenten.

 

 

 

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, eingerahmt von Hochschul-Seelsorgerin Brigitta Haberland (l.) und Prof. Dr. Cinur Ghaderi. Foto: Gottschick

Zurück