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Kritische Diskussion über UN-Nachhaltigkeitsziele
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Kritische Diskussion über UN-Nachhaltigkeitsziele

Am 20.10.2022 luden drei Einrichtungen der EvH RWL, das Wissenszentrum Interkultur (WZI), das International Office (IO) und das Forschungs- und Promotionszentrum TiFo, zu Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Aram Ziai, Leiter des Fachbereichs für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien der Universität Kassel, ein.

Aram Ziai ist einer der führenden Vertreter_innen des Post-Development Ansatzes, einer aus der postkolonialen Kritik hervorgegangenen Denkschule (weitere sind z.B. Arturo Escobar, Wendy Harcourt, Sally Matthews, Sabelo Ndlovu-Gatsheni, Wolfgang Sachs). Dabei unterscheidet sich Post-Development von anderen Ansätzen kritischer Entwicklungsstudien dadurch, dass es die Idee der „Entwicklung“ an sich infrage stellt und nach Alternativen sucht.

Aus dieser Perspektive präsentierte Aram Ziai den Zuhörenden einen durchaus kritischen Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele. Sie durchbrechen demnach nicht vollständig den „Zyklus des Entwicklungsversprechens“, im Zuge dessen immer neue Defizite diagnostiziert werden, gefolgt von neuen Lösungsansätzen, die wiederum keine wirkliche Abhilfe schaffen.

Die SDGs (Sustainable Development Goals) sind bislang der umfassendste und facettenreichste Versuch, eine Lösung für drängende soziale und ökologische Fragen der Weltbevölkerung zu finden. Das haben sie den früheren „Entwicklungsdekaden“ mit jeweils einem erklärten Ziel und den immer noch recht starren Millennium Development Goals (MDGs) klar voraus. Der exklusive Fokus dieser Vorgänger auf den globalen Süden schränkte ihre Wirkmächtigkeit stark ein. Bei den SDGs hat sich hingegen der Blick geweitet und auch die Rhetorik steht damit weniger in paternalistischer Kontinuität mit den „Zivilisationsvorhaben“ des Kolonialismus.

Doch kritisierte Ziai, dass die SDGs mit einer entscheidenden Tradition des Entwicklungsdenkens nicht brechen: Sie animierten immer noch zur Suche nach technokratischen Lösungen und stellten nicht die eigentlichen Ursachen von globaler sozialer Ungleichheit und ökologischer Krise, welche auf der Ebene globaler wirtschaftlicher und politischer Strukturen zu finden seien, in den Fokus. Damit unterstützten sie die Verschleierung des Umstands, dass der globale Norden seit dem Ende der Kolonialzeit Handelsverträge und andere wirtschaftspolitische Instrumente einsetze, um weiter vom globalen Süden zu profitieren.

Damit sind die SDGs laut Ziai einerseits das beste international abgestimmte Entwicklungsprogramm, das bisher aufgelegt wurde – und bleiben doch als solches den problematischen Strukturen des Entwicklungsdenkens weitestgehend verhaftet.

Auf der Liste der von Ziai vorgeschlagenen Alternativen fanden sich u.a.:

  • dass sich Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit – auch und gerade in ihrer Öffentlichkeitsarbeit – mehr auf die Aufdeckung globaler Machtverhältnisse konzentrieren sollten;
  • dass „wertvolles Wissen“ nicht immer nur im globalen Norden, sondern verstärkt im globalen Süden gesucht werden sollte;
  • eine „globale Strukturpolitik“ zu Gunsten der bisher Benachteiligten notwendig ist;
  • der Abschied vom westlichen Entwicklungsmodell.

Auf den Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion, in die sich die anwesenden Lehrenden und Studierenden der EvH RWL sowie externe Gäste einbrachten.

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