Die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum trauert um Prof. Dr. Wilfried Ferchhoff, der am 13. Oktober 2015 verstorben ist. Wir sind bestürzt und erschrocken über seinen plötzlichen Tod. Wir müssen Abschied nehmen von einem hoch geschätzten Kollegen, einem leidenschaftlichen Hochschullehrer, einem renommierten Wissenschaftler und einem warmherzigen Menschen.
Wilfried Ferchhoff wurde 1990 als Professor an die EvH berufen – für das Lehrgebiet Didaktik und Methodik der Sozialpädagogik. Er hat die Entwicklung unserer Hochschule über 20 Jahre hinweg mitgestaltet und mitgeprägt.
Wilfried Ferchhoff wurde am 10. Juli 1946 geboren. 10. Juli - das ist auch der Geburtstag von Johannes Calvin, dem Genfer Reformator. Ferchhoff und Calvin – gewisse Verbindungen legen sich – so meine ich - durchaus nahe.
Wenn man Wilfried Ferchhoff vor Augen hat und ein Bild von Johannes Calvin und Thesen von Max Weber im Hinterkopf, dann deuten sich Züge an, die für Wilfried Ferchhoff charakteristisch waren: Asketischer Typ, innerweltliche Askese, protestantisches Arbeitsethos, evangelischer Bildungsanspruch und entsprechende Bildungsanstrengungen.
Neben diese gleichsam calvinistischen Züge treten freilich ganz andere: Ich erinnere die Montagmorgenrituale: Bevor die Lehrveranstaltungen begannen, wurde mit Wilfried Ferchhoff auf dem Flur das Fußballwochenende diskutiert. Als ehemaliger Fußballer, als Fußballanalyst und Soziologe der Fankultur war er ein gesuchter Gesprächspartner. Nach diesem Ritual stürzte er sich dann in die Arbeit, in die Lehre.
Er war ein Hochschullehrer aus Leidenschaft, einer, der faszinierte und zu begeistern wusste. Ich erinnere mich noch gut an seine Abschiedsvorlesung, die er im Juni 2011 gehalten hat. Ich sehe ihn vor mir, im türkisfarbenen Blouson. Ich sehe ihn hinter dem Pult stehen und dann immer wieder auch in der Aula dynamisch auf und ab gehen.
Ich höre ihn reden – in unterschiedlichen Stimmlagen und Tempi. Er konnte leise, ruhig und langsam Phänomene beschreiben. Um dann plötzlich laut, stakkatoartig – begleitet durch Schritte und Gesten - eine Pointe, ein Fazit oder eine Art Merksatz eindringlich zur Geltung zu bringen.
Wie Kollege Ferchhoff sein Lehrgebiet vertreten hat, wie er als Hochschullehrer Studierenden imponierte, das lässt sich an den einschlägigen Prüfungen ablesen. Niemand hat über die Jahre hinweg so viele Abschlussarbeiten betreut wie er; niemand hat so viele Prüfungen abgenommen. Unglaublich, wie viel Zeit und Energie und Geduld er dabei aufgebracht hat. Bemerkenswert, wie viele Studierende sich bei Wilfried Ferchhoff prüfen ließen, bei einem sehr anspruchsvollen Hochschullehrer. Auch nachdem er 2011 in Ruhestand ging, blieb er unserer Hochschule verbunden. Er hat weiter Lehrveranstaltungen angeboten und durchgeführt und die entsprechenden Prüfungen abgenommen.
Die EvH profitierte im Laufe der Zeit sehr davon, dass Wilfried Ferchhoff auch als Privatdozent an der Universität Bielefeld lehrte.
So konnte er besonders begabte EvH-Absolventen weiter fördern. Als Doktorvater hat er einige Absolventen unserer Hochschule unter seine Fittiche genommen und auf dem Weg zur Promotion begleitet.
Neben dem hohen Engagement in der Lehre stand die Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung. Kollege Ferchhoff war Prodekan und Dekan des Fachbereichs Soziale Arbeit. Über 10 Jahre lang war er Mitglied im Senat unserer Hochschule. Seine Stimme hatte stets Gewicht. Seine Beiträge waren zumeist außerordentlich pointiert und originell. Kompetent, erfahren und unbestechlich hat er etwa in Berufungsfragen die wissenschaftliche Kompetenz der Bewerberinnen und Bewerber bewertet.
Das wissenschaftliche Ouevre von Wilfried Ferchhoff ist imposant. Dabei treten zwei Schwerpunkte deutlich hervor:
Er hat zum einen die Debatte um die Professionalisierung sozialer Dienste und um die Professionalität sozialer Berufe mit geprägt und enorm befruchtet. Die Forschungen zum Strukturwandel der Jugendphase bildeten den zweiten großen Schwerpunkt. Markant sind die Grundmodelle, die Selbstverständnisgestalten, die er im Blick auf die Professionsgeschichte herausgearbeitet hat. Er hat die Bedeutung der Reflexivität in der Bewältigung professioneller Aufgaben unterstrichen und zugleich auf die Vorläufigkeit und Begrenztheit wissenschaftlicher Erkenntnis hingewiesen. Er hat schließlich das Verständnis professionalisierten Handelns orientiert an dem Ziel, die Handlungsautonomie der Adressen wiederherzustellen und zu erweitern.
In relativ bescheidener Aufmachung erschien 1990 bei Peter Lang von Wilfried Ferchhoff: Jugendkulturen im 20. Jahrhundert. Was relativ bescheiden begann, entwickelte sich über die Jahre, ständig verfeinert und aktualisiert und erweitert, zu einem Standardlehrbuch, zu einem wissenschaftlichen Bestseller.
Wir nehmen nun Abschied von Wilfried Ferchhoff - in Trauer und zugleich in Dankbarkeit für sein langes, vielfältiges und engagiertes Wirken an unserer Hochschule.
Inmitten aller Wehmut denken wir an ihn in Achtung und Zuneigung.
Wir beklagen, dass sein Leben nach menschlichem Ermessen so früh zu Ende ging. Zugleich glauben wir ihn in Gottes Frieden geborgen.
Prof. Dr. Gerhard K. Schäfer
-Rektor-