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"Politik von heute - Armut von morgen?": Diskussion

„Wir wollen das Reformationsjubiläum nicht einfach ‚abfeiern‘, sondern zum Anlass nehmen, darüber ins Gespräch zu kommen, wo heute Umkehr, Reform und grundlegende Veränderungen nötig sind“, sagt Prof. Dr. Uwe Becker von der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (EvH RWL) in Bochum. Grund genug dafür böten sozial gespaltene Lebenswirklichkeiten im Ruhrgebiet, betonte er zum Auftakt der Veranstaltungreihe "Schattenseiten - Die soziale Wirklichkeit im Ruhrgebiet".

"Politik von heute - Armut von morgen?": Rund 80 Interessierte waren am 26. April in das Gemeindehaus an der Oberhausener Friedenskirche gekommen - darunter Bürger und Bürgerinnen, Studierende der Evangelischen Hochschule und kirchlich-diakonische Fachkräfte -, um Beckers Eingangsvortrag zu hören. Ein hochkarätig besetztes Podium diskutierte anschließend mit weiteren Teilnehmer_innen die soziale Wirklichkeit in Oberhausen, deren Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten.

So wies Elke Münich, Sozialdezernentin der Stadt, auf eine Art politische „Gummimauer“ hin, an der in der Bundespolitik Problemanzeigen aus dem Ruhrgebiet abprallten. Der Präses der rheinischen Landeskirche, Manfred Rekowski, sandte die Botschaft aus: „Weiter so geht es nicht.“ Der Staat werde vor Ort zum Teil als nicht mehr handlungsfähig wahrgenommen: Grund für Wahlmüdigkeit und den Zulauf rechtsextremer Parteien. „Wir sind hemmungslose Lobbyisten für die Menschen, die mit dafür sorgen müssten, dass die richtigen Fragen auf der politischen Tagesordnung stehen." Reinhard Harfst, Leiter des Diakonischen Werkes in Oberhausen, sieht die Diakonie mit ihren Angeboten („noch“ in jedem Stadtteil) als Anwalt und Seismographen für die soziale Lage in der Stadt.

Dabei hatte Uwe Becker bereits in seinem Vortrag darauf hingewiesen, dass ordnungspolitische Missstände (die etwa zu öffentlichen Nothaushalten im Ruhrgebiet führten) und die fortschreitende sozialpolitische Umdefinition von „Freier Wohlfahrt“ in einfache „Leistungserbringer“ auch dem gesellschaftskritischen und mitgestalterischen Potential sozialer Dienste zunehmend die Luft abdrehe.

„Meine Bilanz ist, dass wir zwei Säulen des Sozialen schon reichlich beschädigt haben. Ordnungspolitische Rahmenbedingungen stehen erheblich unter dem Einfluss einer neoliberalen Politik mit allen (…) Miseren einer skandalösen Armutsentwicklung in Deutschland. Die kommunale Daseinsvorsorge erleidet in vielen Kommunen erhebliche Einbrüche (…).“ Und der Druck auf die dritte Säule – soziale Dienstleistungen der Versorgung, Unterstützung, Begleitung, Beratung und Pflege – „nimmt stetig zu“ und kann „nur begrenzt die Beschädigungen der beiden anderen Säulen auffangen“, so Becker.

Daran anschließend wurde aus dem Publikum heraus von einer Mitarbeiterin der Diakonie gefragt: „Müssen wir mehr tun, kritischer sein?“ Als fiktives Schlusswort Martin Luthers jedenfalls stand im Raum, Orte zu schaffen bzw. zu erhalten, an denen das Gespräch miteinander ohne Denkverbote und streitbar gesucht wird.

Nächste Termine der Veranstaltungsreihe finden sich unter www.evh-bochum.de/schattenseiten.html

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