Am 19. Juni 2023 hat Staatsministerin Reem Alabali-Radovan 12 Expert_innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis in den Expert*innenrat Antirassismus berufen. Einer von ihnen ist EvH-Prof. Dr. Lorenz Narku Laing, der an der Hochschule in Sozialwissenschaften und Rassismusforschung lehrt.
In regelmäßigen Klausurtagungen kommt der Expert*innenrat Antirassismus zusammen, um seinen unterschiedlichen Aufgaben nachzukommen. Neben der Beratung bei aktuellen Anliegen, gibt es zwei konkrete Projekte, an denen aktuell gearbeitet wird:
Wichtige Themen, die auch langfristige Auswirkungen haben. "Definitionen machen einen Unterschied, sie sind die Grundlage für Gesetze. Bei der Erstellung geht es um die Bedeutung von kleinen Wörtern für weitere Prozesse, man versucht möglichst umfassend Zukunftsszenarien und mögliche Auswirkungen mitzudenken.", erklärt Laing. "Für viele Menschen machen diese Definitionen den Unterschied: Werde ich dort erwähnt oder bleibe ich unsichtbar? Eine zeitlose, einfach verständliche und trotzdem im Verhältnis zur Welt stehende Definition zu erarbeiten ist eine spannende Aufgabe, an der ich große Freude habe. Diese Arbeit ist nicht nur für Deutschland relevant, auch andere Regierungen blicken bereits jetzt gespannt auf unsere Ergebnisse. Ich gehe davon aus, dass die Definition auch für andere Länder wegweisend sein wird. Daher ist es gut und wichtig, dass nicht eine Person alleine daran arbeitet, sondern die Kompetenzen aller Mitglieder einfließen. Jede_r bringt seine und ihre Perspektive mit ."
Laing ist im Rat der einzige Professor, der einer Hochschule für angewandte Wissenschaften angehört, daher sieht er seine Aufgabe vor allem im Theorie-Praxis-Transfer. "Neben Wissenschaftler_innen gibt es auch Mitarbeiter_innen aus der Praxis. Ich sehe mich als ein Bindeglied. Einige Theorien werden beispielsweise in der Praxis anders verstanden oder angewandt. Mir ist es wichtig, Antirassismus als Strukturleistung und nicht als Haltung zu begreifen. Konkrete Handlungen sind entscheidend, nicht nur die innere Einstellung. Rassismus hat einen verteilenden Aspekt in Bezug auf Chancen und Möglichkeiten in der Bildung, auf Lohn und Jobsicherheit, auf Gesundheit und Lebenserwartung. Kürzlich wurden für eine Studie Arzttermine angefragt, mal mit einem deutschen, mal mit einem ausländisch klingendem Namen. Letzteren wurden viel weniger Termine angeboten. Genau solche Beispiele meine ich, wenn es um die konkrete Handlung im Gegensatz zur Haltung geht. Ich bin mir sicher, viele der Menschen haben keine rassistische Haltung, doch die Handlung kann trotzdem diskriminieren.", erläutert er.
Die Indikatoren, die messen sollen, wie rassismuskritisch eine Verwaltung oder Stadt arbeitet, beinhalten beispielsweise Prüfsteine wie Schulungen für Polizei und Ämter, religiöse Aspekte wie kulturelle Bestattungspraktiken und Feiertage oder die Arbeit von Beschwerdestellen. Laing erwartet zwischen 90 - 120 Indikatoren. "Ca. 5 Mio Menschen arbeiten in deutschen Verwaltungen: Von Sicherheitsbeschäftigten wie bei der Polizei oder dem Ordnungsamt, über Soldat_innen bis hin zu Mitarbeiter_innen im Jugendamt oder der Arbeitsagentur. Die Definition und Indikatoren müssen für alle verständlich sein. Wenn es um Rassismus und Verwaltung geht, fällt der Bereich Gesundheit, Bildung und Soziales schnell als "unsichtbare" Verwaltung unter den Tisch. Dabei ist dort natürlich antirassistisches Handeln genauso wichtig. Ich finde es großartig, dass ich diese Perspektive stark machen darf, denn hier an der EvH Bochum bilden wir genau für diese Bereiche aus und haben daher viel Fachwissen. Es zeigt auch: Die Größe einer Hochschule ist nicht entscheidend dafür, ob man Themen in wichtigen Gremien in Bund und Land positioniert. Es ist toll, den Wert von Theorie-Praxis-Transfer und die meist unterrepräsentierte Ruhrgebietsperspektive in die Welt zu tragen."
Weitere Informationen zur Arbeit und Zielsetzung des Expert*innenrat Antirassismus gibt es auf der Seite der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragten für Antirassismus.