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Ringvorlesung „No War.“ gestartet
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Ringvorlesung „No War.“ gestartet

Zum Thema Peacebuilding? Report from Slemani hielten am 14.11.2022 Prof. Dr. Sonnenberg, Prof. Dr. Ghaderi und Ass. Prof. Luqman Karim einen Vortrag, in dem sie Erkenntnisse aus dem CoBoSUnin Projekt mit aktuellen Fragen der Friedenspädagogik verknüpften.  Die Vorlesung ist Teil der virtuellen Ringvorlesung „NO WAR. BILDUNG ALS PRAXIS DES FRIEDENS.“ durch die Fachgruppe Internationales der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit und insbesondere der EH Erfurt als virtuelle Gastgeberin.

Peacebuilding? – mit diesem Fragezeichen beginnen sie ihren Vortrag. Denn im Irak gibt es keinen Frieden, das Land ist seit seiner Gründung vor einem Jahrhundert geprägt von verschiedenen Phasen von Kriegen und Konflikten. Aktuell haben iranische Streitkräfte kurdische Oppositionelle im Irak mit Raketen und Drohnen angegriffen. Die politische Fragilität zeigt sich auch daran, dass an der Partneruniversität die Studierenden protestieren und der Lehrbetrieb vorerst stillgelegt ist.
 
Von Professorin Kristin Sonnenberg wurde zunächst die internationale Zusammenarbeit sowie Erfahrungen im Sinne gelungener Aspekte und Herausforderungen vorgestellt. Dadurch wurde deutlich, welche Rolle Soziale Arbeit und Bildung im Friedensbildungsprozess einnehmen kann. Ein Leitgedanke des Projektes war es, dass internationaler Dialog zur Stärkung und Unterstützung von nachhaltiger Strukturbildung beitragen kann. Dabei ist die Idee, dass durch das gemeinsame Lernen und Forschen ein partnerschaftlicher Ansatz realisiert werden kann. Dabei ist es auch notwendig, einen wachsamen Blick auf versteckte Hierarchien beizubehalten. Die internationale Zusammenarbeit und der Austausch über Bildungs- und Studienprogramme kann als Teil eines umfassenderen friedensfördernden Prozesses gesehen werden. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass Bildung positive Auswirkungen auf die Friedensförderung hat. So weisen die einschlägigen Unterorganisationen der UNO schon lange auf die positiven, friedensfördernden Effekte von Bildung hin: "Education is not a marginal actor in peacebuilding, but a core component in building sustainable peace" (Unicef 2011: 7). Eine zentrale Erkenntnis des Projekts ist die Notwendigkeit von Offenheit und wechselseitiger Anerkennung sowie gegenseitiges Verständnis als Grundlage für erfolgreiche Lernprozesse und Kooperation. Gruppendynamische Prozesse können dabei genutzt werden: Die Teilnehmenden trainierten und entwickelten durch die Zusammenarbeit als Lerngruppe Fähigkeiten im Umgang mit interkultureller Sensibilität.
 
Friedenspädagogik bewegt sich in politischen, wirtschaftlichen, militärischen und sozialen Kontexten, auch diese gilt es zu reflektieren und das eigene Anliegen entsprechend zu verorten. Friedenskompetenz ist eine globale Aufgabe, bei jede_r in gemeinsamen Prozessen in internationalen Kontexten die eigene Rolle und die Zusammenarbeit kritisch reflektieren muss. Die Umsetzung einer Friedenskompetenz kann über Verwirklichung und Bewusstseinsbildung in der internationalen Zusammenarbeit über wechselseitigen Respekt und Reflexion der kulturellen Vielfalt geübt und realisiert werden.

 
In einem zweiten Teil stellte Professorin Cinur Ghaderi Erkenntnisse eines thematischen Schwerpunktes des Projektes „gender“ und ihre vertieften Forschungen dazu vor. Sie begann mit der These, dass Gender-Beziehungen ein Schlüsselthema für Frieden, Friedensförderung und Soziale Arbeit sind. Das Thema ist mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Iran aktuell wie nie und Proteste mit dem Slogan "Jin, Jiyan, Azadi" (Frauen, Leben, Freiheit) aktuell medial sichtbar. Die Gleichstellung der Geschlechter ist einer der wichtigsten Faktoren, um Frieden vorherzusagen – mehr als der Reichtum eines Staates, das Niveau der Demokratie oder die religiöse Identität. Geschlecht als soziale Kategorie repräsentiert auch ein Prinzip der sozialen Organisation bzw. Ordnung. Die Geschlechterfrage als globales, gesellschaftliches Ordnungsprinzip für Krieg und Frieden ist damit ein wichtiger Aspekt in der Lehre der Sozialen Arbeit. Cinur Ghaderi verdeutlicht im letzten Teil ihres Vortrags, dass Wissen über (Dis-)Kontinuitäten geschlechtsspezifischer Gewalt in Friedens- und Kriegszeiten relevant ist: So zeigt sich Gewalt u.a. als Vergewaltigung im Krieg in "Kriegs"-Zeiten und Vergewaltigung als häusliche Gewalt in "Friedenszeiten". Sie verweist dazu auf soziokulturelle Normen, den Einsatz von Vergewaltigung als Kriegswaffe zur Demoralisierung des "Feindes" und Vergewaltigung als Belohnung, sowie die These von Männlichkeit als Ursache für geschlechtsspezifische Gewalt. Eine Körperpolitik durch heteronationale Männlichkeit, Militarisierung und Territorialisierung von Frauenkörpern, sowie die Verflechtung zwischen sexualisierter Gewalt, Menschenhandel und Terrorismus sind Beispiele für diese These. Sie schloss ihren Vortrag mit dem Gedanken, dass für internationale und interkulturelle Kooperationen ein hohes Maß an Reflexion nötig ist, um Genderungleichheiten zu benennen ohne in eine Kulturalisierungsfalle zu geraten. Denn die „Entwicklungsbedürftigkeit des Anderen“ über Genderaspekte hat koloniale Kontinuität und finden sich teils wider in bestehende Förderpolitiken.

 
Den dritten Teil übernahm ass. Professor Luqman Karim. Er ordnete die Rolle internationaler und lokaler Nichtregierungsorganisationen bei der Friedensschaffung bzw. der Konfliktlösung anhand von Beispielen aus der Kurdischen Region im Irak (KRI) ein. Dies seien unter anderem die Kontaktaufnahme und Vernetzung unterschiedlicher Akteure, um Alternativen zu schaffen, das Eintreten für die Menschenrechte und die Festlegung einer Strategie für den Frieden in gemeinsamen Projekten. Konkret wäre dies beispielsweise die Einrichtung und der Aufbau von Kapazitäten für junge Medienschaffende, Foren zur Förderung des sozialen Zusammenhalts, aber auch einen Einfluss auf die irakische (Zentral-) Regierung auszuüben, um den Konflikt mit der KRI zu lösen, im Sinne einer Vermittlung und Ausarbeitung von Strategien und Instrumenten für die Friedenskonsolidierung.

Des Weiteren berichtete er von einer Strategie für den Frieden im Irak, in Form einer geschlechtsspezifischen nationalen Versöhnungsplattform. Ein Blick auf die Rolle der lokalen Nichtregierungsorganisationen rundete den Vortrag ab. Sie übernehmen beispielsweise vor Ort die Aufgabe von Friedenssicherung und humanitären Maßnahmen und suchen nach dauerhaften Lösungen, wie z.B. einer Wiedereingliederung von Binnenvertriebenen. Sie führen Ausbildungsworkshops, Konferenzen und Symposien durch, bilden Arbeitsgruppen für Frieden und Versöhnung, konkret auch bei der Zusammenarbeit mit der Regierung am Zentrum für Familienversöhnung.

 
Im Anschluss nahmen alle drei an einer angeregten Diskussion mit knapp 100 Teilnehmenden teil, die aus Studierenden, Lehrenden und Wissenschaftler_innen bestand. Die Ringvorlesung hat am 24.10.2022 begonnen und wird bis zum 30.01.2023 immer montags um 17:30 Uhr digital übertragen. Eine Teilnahme ist über Webex ganz unkompliziert möglich, als Gast mit dem eigenen Namen und der Email Adresse. Weitere Infos finden Sie im Flyer.

 

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