v.l. Dr. Volker Anneken, Prof'in Dr. Kathrin Römisch, Prof. Dr. Hans Josef Deutsch, Dr. Vera Tillmann, Cosima Nellen, Julia Hilmers, Paula Fischer, Marco Schmitz, Thomas Okos, (vorne) Kathrin Biederbeck, Robert Sellmann. Foto: Martin Bock
Menschen mit Mehrfachbehinderung erfahren aufgrund ihrer Einschränkungen häufig Bewegungsmangel. Das kann negative Folgen für ihre Gesundheit haben. Ein Modellprojekt möchte das ändern und wird nun von der SozialstiftungNRW mit 615.500 Euro gefördert.
Das landesweit bislang einzigartige Projekt „In Bewegung kommen – in Bewegung bleiben“ der FIBS gGmbH (Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport) gemeinsam mit BODYS und zwei Praxispartnern soll Möglichkeiten körperlicher Aktivität für Menschen mit komplexen Behinderungen erforschen. Der Stiftungsratsvorsitzende der SozialstiftungNRW, Marco Schmitz, MdL, übergab am Mittwoch in Frechen den Förderbescheid an die FIBS gGmbH. Partner in dem Projekt, das am 1. Juli startet, sind Einrichtungen des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen sowie der Josefs-Gesellschaft in Bigge. Wissenschaftlich begleitet wird es vom Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS), eine Forschungseinrichtung der EvH Bochum. „Wir freuen uns, das Modellprojekt mit 615.500 Euro zu fördern“, sagte Marco Schmitz bei der Übergabe des Förderbescheids. „Menschen mit komplexer Behinderung haben den gleichen Wunsch nach Bewegung und körperlicher Aktivität wie alle Menschen. Sie können sich jedoch oft nicht selbstständig bewegen und können ihre Bedürfnisse und Wünsche zudem nicht ausdrücken.“
„Der unfreiwillige Bewegungsmangel schwächt oftmals die Gesundheit von Menschen mit komplexen Behinderungen“, erklärte die Prokuristin und wissenschaftliche Leiterin der FIBS gGmbH, Dr. Vera Tillmann. Typische Beschwerden seien Gelenkprobleme, erhöhte Infektanfälligkeit oder Verspannungsschmerzen. Mit dem Modellvorhaben „In Bewegung kommen – in Bewegung bleiben“ betrete die FIBS gGmbH Neuland. „Für Menschen mit einer komplexen Beeinträchtigung gibt es bislang keine Ansätze, wie Bewegung Teil ihres Alltags sein kann. Das möchten die Projektpartner gemeinsam mit den Menschen selbst ändern.“
„Besonders überzeugt hat uns, dass im gesamten Prozess sowohl Menschen mit komplexer Behinderung als auch ihre Unterstützenden beteiligt sind“, betonte Marco Schmitz. „Der Grundsatz der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ‚Nichts über uns ohne uns‘ wird in diesem Projekt gelungen umgesetzt.“ An dem Modellvorhaben werden mindestens zehn Menschen mit komplexen Behinderungen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Einrichtungen des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen und der Josefs-Gesellschaft beteiligt sein. Geplant sind Workshops, in denen Problemlösungen erarbeitet werden. Die Ideen werden dann von den Beteiligten im Alltag erprobt.
BODYS wird mit dem Team den partizipativen Forschungsprozess gestalten, so werden Methoden entwickelt, um Personen mit komplexer Behinderung und ihre Unterstützerkreise am Forschungsprozess zu beteiligen, aber auch die Entwicklung geeigneter Forschungsmethoden zur Erhebung der Bewegungsbedürfnisse und der -möglichkeiten wird Aufgabe von BODYS sein.
Menschen mit komplexen Behinderungen sind nicht nur körperlich eingeschränkt. Oftmals fällt es ihnen auch schwer, ihren Wunsch nach Bewegung verbal zu äußern. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen für behinderte Menschen ist es deshalb häufig schwierig, das Bedürfnis nach körperlicher Aktivität wahrzunehmen. Das Projekt will erforschen, wie Bewegung in den Alltag von Menschen mit Mehrfachbehinderung integriert werden kann und Unterstützende Bedürfnisse erkennen können. Zudem geht es darum, welche Hilfsmittel in den Einrichtungen dafür notwendig sind. Dazu können zum Beispiel bewegungsgesteuerte Videospiele oder Schwungtücher zählen. Die Ergebnisse des Modellprojekts sollen nach Ende der dreijährigen Laufzeit veröffentlicht und breit gestreut werden, um sie anderen Einrichtungen zugänglich zu machen.