Eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen der Welt ist Gewalt gegen Frauen. Die EvH beteiligt sich auch in diesem Jahr an der internationalen Aktion „Orange the World“, bei der durch orangene Fahnen oder Beleuchtungen weltweit auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht wird.
Die Formen dieser Art von Gewalt sind unterschiedlich und erstrecken sich von Alltagssexismus bis hin zu Femiziden. Laut UN Women findet jeden Tag ein Tötungsversuch statt – jeden dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-) Partnerin.
In der Istanbul-Konvention wurde 2011 festgelegt, dass alle Frauen – unabhängig von Herkunft, Alter, Aufenthaltsstatus, Hautfarbe, Behinderung, sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität – und ihre Kinder vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden und sie die Möglichkeit haben, Hilfssysteme in Anspruch zu nehmen. Die Umsetzung soll laut UN Women Deutschland ab Februar 2023 uneingeschränkt in Deutschland gelten.
Dazu sagt Prof. Dr. Elke Hemminger, Gleichstellungsbeauftrage der EvH: „Ein Leben frei von Gewalt ist ein Menschenrecht. Doch die Realität sieht besonders für Mädchen und Frauen oft anders aus. Gewalt gegen Mädchen und Frauen tritt in vielerlei Formen auf. Sie beginnt im Alltag mit vermeintlich lustigen Sprüchen, die verletzen, abwerten und sexuelle Grenzen überschreiten. Sie setzt sich fort, wenn Frauen und Mädchen Angst haben, sich an bestimmten Orten aufzuhalten und zu bestimmten Zeiten alleine unterwegs zu sein. Gewalt zeigt sich in gesellschaftlichen Strukturen und Diskriminierungen, in psychischen, körperlichen und sexuellen Übergriffen.
Studien zeigen, dass eine erschreckend hohe Zahl von Frauen auch in Europa und in Deutschland von Gewalt betroffen sind. Laut der FRA-Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte von 2014 erlebten in Deutschland rund 35% der Befragten körperliche oder sexuelle Gewalt seit ihrem 15. Lebensjahr. Betroffene kommen aus allen Lebenslagen, weder Bildung noch hohes Einkommen oder ein bestimmtes Alter schützen vor Gewalt. Es gibt jedoch bestimmte Faktoren, die Mädchen und Frauen zusätzlich vulnerabel machen können. Angesichts dieser Zahlen ist es entscheidend wichtig, nicht nur ein Zeichen zu setzen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, sondern auch politische und praktische Maßnahmen zu entwickeln, die diese Menschenrechtsverletzungen wirksam und nachhaltig bekämpfen.“
Die Faktoren, die Mädchen und Frauen einem zusätzlichen Risiko vor Gewalterfahrungen aussetzen, können beispielsweise Fluchterfahrungen oder Behinderung sein.
„Frauen und Mädchen mit Fluchterfahrungen sind mit spezifischen Risiken vor, während und nach der Flucht konfrontiert. In vielen Kriegen wird die systematische Vergewaltigung von Frauen als Kriegswaffe eingesetzt. In fragilen Gesellschaften nimmt die strukturelle Gewalt/ die Gewaltbereitschaft zu: in Formen wie Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsheirat, Genitalverstümmlung oder familiäre Gewalt. Dabei wird das Öffentlich machen der erlittenen Gewalt tabuisiert, stigmatisiert, verschwiegen und mit erneuter Gewalt bedroht. Trotz dieser Risiken zeigen sie großen Mut und Widerstandsfähigkeit, wie u.a. die von Frauen angeführten Proteste im Iran zeigen. Für Frauen, die flüchten müssen, enden die Gewalterfahrungen selten. Geflüchtete Frauen werden auch in Gemeinschaftsunterkünften in Deutschland zu Opfern von Gewalt. Deutschland hat sich in der Istanbul Konvention verpflichtet, Frauen umfassend vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen - auch bei geflüchtete Frauen. Hier ist noch einiges aufzuholen, sei es in Bezug auf sichere Unterbringung, bei geschlechtersensiblen Asylverfahren und der Anerkennung, beim unabhängigen Aufenthaltsrecht, bei Partnerschaftsgewalt oder beim Zugang zu Hilfssystemen wie Beratung und Traumatherapie.“, erläutert Prorektorin II Prof. Dr. Cinur Ghaderi, zuständig für die Bereiche Forschung, Transfer und Internationales.
Für Frauen mit Behinderung können genau diese Hilfssysteme zu Gewalterfahrungen führen. Prof. Dr. Kathrin Römisch (Heilpädagogik & Inklusive Pädagogik), schildert die Situation wie folgt: „Frauen mit Behinderungen sind eine von Gewalt besonders betroffene Gruppe. Die Ergebnisse einer repräsentativen Studie zeigen das erschreckende Ausmaß: Die befragten Frauen waren im Lebensverlauf allen Formen von Gewalt 2-3 Mal häufiger ausgesetzt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt. Machtungleichgewicht ist ein besonderes Risiko für das Erleben von Gewalt und dies erfahren die Frauen in vielerlei Hinsicht. Dazu zählt auch das Leben in einer Einrichtung. Auch wenn es schwer vorstellbar ist, dass Gewalt in Einrichtungen geschieht, in denen die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, eigentlich Schutz und Fürsorge erwarten sollten, gelten Institutionen als Hochrisikobereiche für alle Formen von Gewalt.“