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Zivilgesellschaftliches Engagement: Summer School
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Zivilgesellschaftliches Engagement: Summer School

Am 30. September und 1. Oktober 2022 fand in der Quartiershalle der Bochumer KoFabrik die zweitäge Summer School „Zivilgesellschaftliches Engagement – Möglichkeiten und Wege  politischer Einflussnahme“ mit fast 50 Teilnehmenden aus unterschiedlichen Initiativen und Selbstvertretungen statt. Hierzu gehörten viele Bochumer Akteur*innen, die sich für Veränderungsprozesse in ‚ihrer‘ Stadt oder dem eigenen Stadtteil einsetzen. Es nahmen aber ebenso Wohnungslosenselbstvertreter*innen, die bundesweit anreisten, sowie Akteur*innen aus NRW teil, die sich in der behindertenpolitischen Arbeit, in antirassistischen Initiativen oder in Vereinen für die Rechte von geflüchteten Menschen engagieren. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Transfernetzwerk Soziale Innovation (s_inn).

Stadt- und Mietenpolitik als wichtiges Querschnittsthema  

Ein Schwerpunkt der Summer School war der Bereich der Stadt- und Mietenpolitik, denn hier spielen in Initiativen Bedarfe und Forderungen eine Rolle, die viele der Teilnehmenden – sei es bereits bei ihrem politischen Engagement oder in ihrer aktuellen Lebenssituation – unmittelbar betreffen. Die Referentin Kristin Schwierz, die sich selbst auf vielfältige Weise stadtpolitisch engagiert, gab einen Überblick über wichtige, auch bundesweit agierende Initiativen und Netzwerke und verdeutlichte zudem die Bedeutung niedrigschwelligen Community Buildings für ein gemeinsam getragenes Engagement.

Am Folgetag wurde die Arbeit stadt- bzw. mietenpolitischer Initiativen in zwei Inputs weiter beleuchtet. Nadja Zein-Draeger stellte am Samstagvormittag das Bochumer Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung und dessen Erfahrungen mit unterschiedlichen – gesetzlich geregelten und ‚nur‘ freiwillig eingeräumten – Formen der Bürgerbeteiligung vor. Sie zeichnete dabei gerade auch nötige Verbesserungsbedarfe nach, damit Bürger*innen in Entscheidungsverfahren verbindlicher berücksichtigt werden. Bana Mahmood von der Berliner Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ (DWE) betonte zum Abschluss der Summer School hingegen vor allem die Veränderungs-Potentiale zivilgesellschaftlichen Engagements. Durch wirksames Organizing, eine klar definierte Zielsetzung und die Motivation vieler Aktiver könne selbst ein so voraussetzungsvolles Instrument wie ein Volksentscheid erfolgreich umgesetzt werden.

An die Inputs schlossen sich jeweils intensive Diskussionen an. Wichtige Impulse kamen hier etwa von Akteur*innen aus der Wohnungslosenselbstvertretung, die die Notwendigkeit betonten, in mietenpolitischen Initiativen das gerade in Großstädten weiter wachsende Problem der Wohnungslosigkeit hinreichend mitzuberücksichtigen.

Beteiligung und Netzwerke(n)  

Auch die Frage, wie in Netzwerken oder Initiativen eine breitere Beteiligung ermöglicht werden könnte, wurde im Anschluss gerade an den letzten Input aufgeworfen. Denn das Ziel müsse eigentlich sein, so auch Bana Mahmood, dass Initiativen weniger von „weißen Akademiker*innen“ dominiert  würden.

Das Thema der Beteiligung und Repräsentation wurde aber ebenso in Workshop-Formaten der Summer School intensiv diskutiert. Neben der Herausforderung einer möglichst inklusiven Arbeit in Selbstvertretungen ging es hier etwa um die Frage, unter welchen Bedingungen eine Unterstützung durch Verbündete (Allies) sinnvoll sei, die selbst über keine Expertise in eigener Sache verfügen. Die Antworten fielen unterschiedlich aus – als bedeutsam wurde  vor allem gesehen, dass Interessen und Ziele von Allies und Expert*innen in eigener Sache dieselben seien. Darüber hinaus wurde diskutiert, wie beispielsweise Gremienstrukturen sich verändern müssten, um echte Partizipation zu ermöglichen, und wie Menschen lernen könnten, ihre eigenen Interessen selbstbewusst und öffentlich zu äußern, beispielsweise anhand von Vorbildern oder durch empowernde Projekte und Coaching.

Verhältnis zwischen politischer Verantwortung und zivilgesellschaftlichem Engagement

Neben solchen konkreten Fragen und Herausforderungen war in der Summer School auch die grundsätzliche Rolle zivilgesellschaftlichen Engagements ein wichtiges Thema. Marina Seddig vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ging in ihrem Vortrag am Samstagmorgen zunächst auf die große gesellschaftliche Bedeutung dieses Engagements ein, die sie am Beispiel der ehrenamtlich geleisteten Geflüchtetenhilfe weiter konkretisierte. Dabei griff sie zugleich kritische Punkte auf, zu denen etwa die Entprofessionalisierung und Privatisierung eigentlich öffentlicher Aufgaben gehöre.

Gerade der letzte Kritikpunkt wurde auch von Teilnehmenden aufgegriffen. In der Diskussion mit der Referentin sowie in einem Workshop kamen u.a. die Tafeln zur Sprache. Diese seien, so  der Konsens, ein besonders eindeutiges Beispiel für die zivilgesellschaftliche Kompensation eines Rückzugs des Staates aus seiner Verantwortung für die Daseinsvorsorge. Kritisch diskutiert wurde zudem die breit gefasste wissenschaftliche Definition zivilgesellschaftlichen Engagements, bei der nicht nur emanzipatorische bzw. menschenrechtsorientierte, sondern auch rechtspopulistische Initiativen ‚mitgezählt‘ würden.

Resümee und Ausblick

Nach zwei intensiven Tagen voller spannender, teils kontroverser Diskussionen, in denen auch Akteur*innen, die bislang keinen Kontakt miteinander hatten, in den Austausch miteinander kamen, fiel das Feedback der Teilnehmenden äußerst positiv aus: Die Summer School habe wichtige Themen aufgegriffen, von denen die Teilnehmenden auch aus ihren unterschiedlichen Handlungsfeldern heraus profitiert hätten. Es wurden verschiedene inhaltliche Anschlussmöglichkeiten und ein grundlegendes Interesse an weiteren Formaten in Bezug auf zivilgesellschaftlches Engagement deutlich.

Veranstaltungsorganisation/-leitung:
Malin Butschkau und Ariadne Sondermann (Transferagentur s_inn)

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