Ca. 50-80 Teilnehmer_innen in der Aula der Evangelischen Hochschule RWL in Bochum sowie etwa 20 Zuschauer_innen im Livestream erhielten spannende Einblicke zur Palliative Care in der letzten Lebensphase (29.03.), in das Konzept Advance Care Planning, also die Vorausplanung von Behandlungen (19.04.) und in die Praxis der ambulanten und stationären palliativen Versorgung (03.05.). Die Referent_innen und Diskutant_innen aus Studium und Wissenschaft, Medizin, Pflege, Eingliederungshilfe und Sozialer Arbeit vertieften vielfältige Aspekte der Thematik und beantworteten die Fragen aus dem Publikum.
29.03.: „Was braucht es in der letzten Lebensphase? Multiprofessionelle Palliativversorgung im Alter“
Zum Auftakt gab Prof. Dr. Birgit Schuhmacher einen kurzen Einblick in die Vielfalt der letzten Lebensphase im Alter. Während das Alter selbst nur wenig institutionalisiert ist, trifft dies aber doch auf das Sterben zu: Weitaus mehr Menschen versterben im Krankenhaus, als sie sich das wünschen. Dennoch wächst der Anteil der älteren Menschen, die eine palliative Versorgung erhalten. Unabhängig vom Sterbeort stellt sich das Lebensende als soziales und kulturelles Geschehen von hoher Komplexität dar, das multiprofessionell gestaltet und begleitet werden sollte.
Die Preisträgerin des Brost-Ruhrpreises und Donatorin der Veranstaltungsreihe, Dr. Marianne Kloke, fokussierte in ihrem Vortrag die weitreichenden Bezüge von Palliative Care, die mehr als eine Fachdisziplin ist. Sie hat vielmehr den gesamtgesellschaftlichen Anspruch, die letzte Lebensphase grundsätzlich würdevoll und bedarfsgerecht zu gestalten – ein Anspruch, der bereits politisch und sozial angestoßen wurde und weiterhin verfolgt werden muss. Gleichzeitig stehen nicht nur die Sterbenden im Fokus von Palliative Care, sondern auch An- und Zugehörige. Es gilt dafür zu sorgen, dass alle Betroffenen Zugang zu einer bedarfsgerechten Versorgung am Lebensende erhalten, was einen hohen Grad an Vernetzung aller professionellen und ehrenamtlichen Akteure voraussetzt.
Das Publikum beteiligte sich lebhaft an digitalen Abstimmungen und diskutierte Fallbeschreibungen aus der Praxis der palliativen Versorgung: Wie kann die Würde von älteren Menschen am Lebensende gewahrt werden? Wie soll in Bezug auf einen Transfer ins Krankenhaus entschieden werden? Isabelle Bosbach, die den Nachmittag moderierte leitete anschließend in die Podiumsdiskussion über, in die ebenfalls Fragen aus dem Publikum eingespielt wurden.
Zur kultursensiblen und spirituellen Begleitung von älteren Menschen am Lebensende diskutierten Dr. rer. nat. Ferya Banaz-Yaşar, Essen, Britta Lauenstein, Bochum, Michael Rohr, Gelsenkirchen mit Dr. Marianne Kloke. Häufig, so wurde deutlich, ist ein Zugang zu einer bedarfsgerechten Versorgung nicht gegeben – es mangelt den Betroffenen an Informationen und Zugangsmöglichkeiten.
Der Nachmittag endete mit einer beeindruckenden Wortwolke des Publikums zur Frage: Was nehme ich für meine Arbeit, die Praxis, mein Studium mit? Insbesondere dieser letzte Eindruck, so resümierten die Veranstalterinnen gemeinsam mit Dr. Kloke, dass das Ziel der Veranstaltung erreicht wurde: u.a. mit den Begriffen „Netzwerken“ „Haltung“, „Individualität“ und „Hoffnung“ drückten viele Teilnehmer_innen aus, dass sie Gelegenheit zur Reflexion und zum Austausch hatten.
19.04.: „Für die letzte Lebensphase vorsorgen – Herausforderungen und Möglichkeiten"
Die Moderatorin des Termins, Prof. Dr. Alexandra Lehmann (EvH RWL Bochum), war sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung. Zu einer gelösten und entspannten Atmosphäre gab es dabei allen Grund, trafen die präsentierten Inhalte doch auf jede Menge positives Feedback und interessierte Rückfragen aus dem Plenum. Noch eine halbe Stunde nach Abschluss des Programmes waren sie und die weiteren Referent_innen in regem Austausch mit zahlreichen interessierten Gästen.
Zu den präsentierten Inhalten gehörte u.a. das Advance Care Planning (zu Deutsch: Behandlung im Voraus Planen – BVP). Dabei geht es darum, dass zusammen mit betroffenen Personen vorausschauend ermittelt und dokumentiert wird, wie deren Wünsche und Bedarfe bezüglich der eigenen Pflegesituation sind, damit dies dann entsprechend umgesetzt werden kann, falls der eigene Wille irgendwann einmal nicht mehr geäußert werden können sollte. Martina Zabel, Wohnbereichsleiterin der Wohnstätte Wieschermühlenstraße, und Bewohner_innen dieser Wohnstätte präsentierten dazu anschaulich, wie Advance Care Planning umgesetzt werden kann. Neben der Dokumentation und Umsetzung des persönlichen Willens der Betroffenen wird dabei vor allem Wert auf Offenheit, Respekt und Geduld gelegt. So berichtete ein Bewohner der Wohnstätte Wieschermühlenstraße, dass in vielen Gesprächen mit Mitarbeitenden, seiner Familie und ihm alle Details der Vorausplanung besprochen wurden und dabei stets seine Wünsche im Vordergrund standen.
Bei einem gemeinsamen Workshop bot sich den Teilnehmenden die Gelegenheit, gezielt bei den Referent_innen der Wohnstätte Wieschermühlenstätte Details zu Advance Care Planning zu erfragen. Alexandra Lehmann dazu: „Es zeigt sich, dass das ‚Advance Care Planning‘, also das ‚Behandlungs-Planen im Voraus‘, tatsächlich auch ein ‚Advanced Care Planning‘, also ein fortschrittliches Behandlungs-Planen ist, wenn man sieht, wie dieser Prozess hier gemeinsam und miteinander gestaltet wird.“
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den rechtlichen Grundlagen von Patient_innenverfügung und Vorsorgevollmachten, präsentiert von Prof. Dr. Andreas Bauer (EvH RWL Bochum). Um dieses Thema greifbarer zu machen, wurde in einem zweiten Workshop die Herausforderungen der Vermittlung jener rechtlichen Grundlagen mit dem Thema Leichte Sprache verknüpft. Anneke Arlabosse (EvH RWL Bochum) zeigte dazu auf, dass es bei Leichter Sprache darum geht, den besonderen Bedarfen von Menschen mit kognitiven und sprachlichen Einschränkungen gerecht zu werden. In einer gemeinsamen Übung wurde von den Teilnehmenden anschließend selbst erprobt, den Begriff der Vorsorgevollmacht in Leichter Sprache zugänglich zu machen. Ein Teilnehmer des Workshops dazu: „Mir war nicht klar, auf welche Details man bei Leichter Sprache achten muss und wie herausfordernd es ist, einen guten Mittelweg aus korrektem Inhalt und leichtem sprachlichen Zugang zu finden. Von daher war der Workshop sehr wertvoll, um mich dafür zu sensibilisieren.“
Alles in allem bot die MPiA-Veranstaltung jede Menge interessante Inhalte und spannende Geschichten.
03.05.: "Pflegeeinrichtungen müssen sich öffnen" - stationäre und ambulante Pflege als Orte der Palliativversorgung älterer Menschen
Die dritte MPiA-Veranstaltung am 03.05. thematisierte professionelle Pflegesettings als Orte der Palliativversorgung älterer Menschen. Die Moderatorin Prof. Dr. Sabine Kühnert begrüßte dazu als Referenten und Impulsgeber Heiner Melching, Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Dr. Brigitta Behringer, Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin, spezielle Palliativmedizin und Hausärztliche Geriatrie sowie Helga Nottebohm, Geschäftsführerin der Katholischen Schulen für Pflegeberufe in Essen.
In Vorträgen, Workshops und einer abschließenden Podiumsdiskussion wurden dazu anregende Impulse und Perspektiven in Bezug auf die Multiprofessionelle Palliativversorgung älterer Menschen in verschiedenen medizinischen und pflegerischen Settings gegeben. Dabei betonte Heiner Melching, dass es mehr Sensibilisierung für Palliativversorgung in der Pflege brauche und zwar nicht nur zur Entwicklung fachlicher, sondern auch sozial-emotionaler Kompetenzen. Dafür sei laut Heiner Melching eine gewisse Offenheit der beteiligten Akteure erforderlich. "Pflegeeinrichtungen müssen sich öffnen, auch, um zu zeigen was Pflege bedeutet und damit das Leben von Älteren wertgeschätzt wird." Er ergänzt, dass es Bereitschaft benötige, sich in allen Bereichen im Zusammenhang mit palliativen Kompetenzen weiterentwickeln zu wollen und dazu nicht nur Medizin und Pflege beitragen müssten, sondern alle Gesundheitsberufe einbezogen werden sollten. Relevant sein könnte Heiner Melching zur Folge auch, dass der Outcome von palliativen Leistungen präziser gemessen werde. Deshalb seien Veranstaltungen in Hochschulkontexten, wie z.B. MPiA, sehr wertvoll, um entsprechende Impulse für künftige Forschung geben zu können.
Dr. Brigitta Behringer zeigte indes die Herausforderungen in der hausärztlichen Versorgung auf, indem sie betonte, dass Hausärz_innen angesichts vieler betroffener Patient_innen quasi dauernd mit Palliativversorgung beschäftigt sind. Darum sei es aus ihrer Sicht auch so wichtig, dass das palliative Versorgungsnetzwerk rund um die Patient_innen gestärkt werde, u.a. durch den intensiveren Einbezug von Ehrenamtlichen. Gerade jene Ehrenamtlichen wolle auch Heiner Melching vorbehaltlos und ehrlich in die Versorgungsprozesse einbeziehen. Dazu gehöre eine Art "wertschätzende Kritik" genauso wie die gegenseitige Anerkennung und Respekt. Dann stelle das Ehrenamt eine wichtige Ergänzung in der Palliativversorgung dar.
Helga Nottebohm machte außerdem noch die AAPV (Allgemeine Ambulante Palliativversorgung) und die SAPV (Spezielle Ambulante Palliativversorgung) zum Thema. Im vorhergehenden Workshop zu dieser Thematik wurde deutlich, dass die Pflege hier zentrale fachliche und koordinative Aufgaben hat. Es kann zu Übersetzungsprobleme zwischen der hausärztlichen und der spezialisierten Versorgung kommen kann. So kommt auch Helga Nottebohm zum Schluss, dass es zwar regionale Angebote für AAPV und SAPV gebe, was allerdings dringend gebraucht werde, seiein deutlich ausgebautes Case-Management, um die multiprofessionelle Versorgung rund um die Patient_innen zu koordinieren.
Alles in allem betonten die Referent_innen und Diskutant_innen, dass es wichtig sei Menschen aus allen Gesundheitsberufen anzusprechen, um die Voraussetzungen in der Palliativversorgung künftig zu verbessern. Helga Nottebohm dazu: "Ich hoffe, dass wir mit dieser Veranstaltung Impulse setzen und für unser Thema 'Palliativversorgung' sensibilisieren können."
Ausblick: Nächste MPiA-Veranstaltungen zu Motogeragogik und Hospizarbeit
Am 24.05. stellen Prof. Dr. Michael Wendler und Dr. Yoon-Sun Huh unter dem spannenden Titel „Bewegte und bewegende Momente schaffen“ das Konzept der Motogeragogik vor. Es befasst sich mit Daseinsthematiken älterer Menschen, Leib- und Körpergedächtnis sowie mit Psychomotorik. Exemplarische Bewegungsangebote mit biografischem Bezug für Menschen mit Demenz werden vorgestellt - besonders interessant werden die praktischen Übungen für alle Teilnehmer_innen an diesem Nachmittag.
Den Abschluss macht schließlich die Veranstaltung „Hospizbegleitung für hochaltrige Menschen“ am 21. Juni. Dabei wird es u.a. um psychosoziale Begleitung, professionelle Pflege und Spiritual Care in der letzten Lebensphase sowie hospizliche Begleitung als Bürgerrechtsbewegung und tätige Sorge gehen.
Für diese beiden Veranstaltungen am 24.05. und 21.06. ist die kostenlose Anmeldung über die Anmeldeformulare auf unserer Webseite möglich. Klicken Sie dazu bitte hier. Für Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an Manuel Schlifski unter schlifski@evh-bochum.de