Dass die derzeitige Situation „kein Spurt sein wird, sondern eher ein Marathon“ - darauf weist Prof. Dr. Birte Hinzpeter, EvH-Professorin für Soziale Medizin, hin. Alle sollten erkennen, dass Corona ein ernst zu nehmendes Thema ist - auch für junge Menschen, die oft in der Idee lebten, unverwundbar zu sein oder mit dieser Zuschreibung belegt würden. Doch wenn die Umgangsregeln gute Beachtung fänden, dann habe man getan, was innerhalb des kurzfristig Möglichen liege.
Wie man in Pandemie-Zeiten besser mit Sorgen und Ängsten umgehen kann, zeigen Lena Sauerland von der EvH-Beratungsstelle BISS und Prof. Dr. Christian Mette, EvH-Professor für Psychologie, mit einigen Tipps:
So rät Lena Sauerland, „jetzt soziale Bindungen zu leben“. Gerade weil das im Kontaktverbot schwieriger sei, ist Kreativität gefragt. Ob eine virtuelle Geburtstagsparty, ein Schwätzchen mit der Familie über Skype, Video-Konferenzen mit den Kolleg_innen im Homeoffice oder mal wieder ein Brief an die Oma: Hauptsache, man bleibt nicht isoliert und pflegt weiter seine Kontakte.
Tipp Nummer zwei: Neue Routinen entwickeln. Feste Zeiten fürs Essen, die Hausarbeit oder Sport können Halt geben an Tagen, an denen die Freizeit schier überhand nimmt.
Auch die Ernährung ist eine wichtige Grundlage für psychische Stabilität. Daher gut und regelmäßig essen und ausreichend trinken.
Positive Erfahrungen wahrnehmen – am Abend drei Dinge aufschreiben, die schön waren und Freude gemacht haben.
Den Konsum von Medien steuern oder limitieren: Ein- oder zweimal am Tag statt immer wieder über die aktuelle Situation lesen und dabei lieber auf seriöse Medien zurückgreifen. Lena Sauerland empfiehlt die Seite angstfrei.news: https://www.angstselbsthilfe.de/angstfrei-news/ Dort finden sich gute Nachrichten wie „Hamburger Tafel kann wieder öffnen“ oder die Zahlen derer, die bereits genesen sind. Als Wegweiser für Menschen, die unter Angststörungen leiden, hilft das Portal durch die Daten-Flut hindurch und ist ein Medium für den angstfreien Umgang mit Informationen. „Wichtig ist, Positives wahrzunehmen“, betont Lena Sauerland.
„Wenn nicht jetzt, wann dann? Was wollte ich schon immer mal tun und hatte nie die Zeit dafür?“: Warum nicht mal einen Online-Yoga-Kurs machen, eine neue Sprache lernen oder endlich den Wandschrank aufräumen?
Diese Tipps sind für alle Menschen nützlich. Wer allerdings unter Angst leidet, für den sind möglicherweise folgende Hinweise hilfreich:
Kommt Unruhe auf, dann sollte sie wahrgenommen und nicht verdrängt werden. Es ist okay, Angst zu haben – ist sie doch eine normale Reaktion auf Bedrohungssituationen.
Dann kann es helfen, etwas zu tun, was kontrollierbar ist: aufräumen, spülen, andere unterstützen. „Einfach mal den Hund der älteren Nachbarin ausführen“, zählt Lena Sauerland auf. Derlei helfe, wieder ein Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen.
Um Ängste besser loslassen zu können, ist es hilfreich, sie zu formulieren und aufzuschreiben.
Und dann sollte es auch Zeiten am Tag geben, in denen die Sorgen einmal in den Hintergrund treten.
„Wichtig ist, im Hier und Jetzt zu sein“, erläutert Lena Sauerland. Ängste tragen einen Menschen in die Zukunft, in der er die Dinge ohnehin nicht beeinflussen kann. Ein Tipp: sich in die Gegenwart zurückholen, indem man Achtsamkeitsübungen macht - im Raum drei gelbe Gegenstände sucht oder den eigenen Atem spürt.
Entspannend können auch Bewegung und Sport wirken - „draußen an der frischen Luft“, schlägt Lena Sauerland vor.
Prof. Dr. Christian Mette hingegen stellt klar, dass ein jeder/eine jede gemäß des Grundgesetzes eine „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ trage. Er rät Folgendes:
Überlegt und bewertet für Euch, ob Euer Verhalten in einer bestimmten Situation nur Euch oder der Gemeinschaft zugute kommt (z.B. Reduzierung der Sozialkontakte vs. auf Coronapartys gehen). Für die soziale demokratische Gemeinschaft einzustehen, beinhaltet im Extremfall auch, drastische persönliche Einschränkungen hinzunehmen (z.B. selbst gewählte Reduzierung von Kontakten).
Holt Euch valide Informationen. Das Internet ist eine wahre Fundgrube an nicht korrekten Informationen – wie Fake News oder Verschwörungstheorien. Diese verunsichern Euch und andere und geben nicht das aktuelle Bild der Situation wider. Nutzt die öffentlich-rechtlichen Informationsquellen und vermeidet Informationsquellen, die ihrerseits die Angst und Sorge der Bevölkerung nutzen, um die eigene Auflage zu erhöhen oder die Befriedigung eines egoistischen Geltungsdrangs von Einzelnen darstellen. Verzichtet zudem darauf, diese in Sozialen Medien weiter zu verbreiten. Wenn Ihr Euch unsicher seid, ob eine Quelle valide ist oder nicht, konsultiert die öffentlich-rechtlichen Medien.
Erklärt und diskutiert die aktuelle Situation in altersgerechter Sprache mit Euren Kindern. Nehmt die Sorgen und Ängste der Kinder ernst. Sie haben genauso Angst oder machen sich Sorgen wie Ihr. Auch die aktuelle Situation kann für Kinder ein immenser Stressfaktor sein. Versucht, Routinen und regelmäßige Abläufe durchzuführen. Das gibt Kindern Sicherheit! https://www.youtube.com/watch?v=KfSQjA0wpVE
Haltet (vorsichtigen) Kontakt zueinander. Kontakt und Austausch kann stressreduzierend wirken. So erfahrt Ihr auch, wer in Eurem Umfeld Hilfe benötigt. Der Kontakt muss jedoch nicht physischer Natur (face-to-face) sein, sondern kann auch über die Sozialen Medien stattfinden. Versendet kein angstförderndes Material weiter und setzt Gerüchte in die Welt. Überlegt, ob die Information von validen Quellen (Bundesregierung, öffentlich rechtliche Medien) weitergegeben wurde. Viele Menschen nutzen die angespannte Situation, um sich zu profilieren.
Geht besonnen mit Quaratäne um. Quarantäne kann sehr belastend sein. Wenn jemand in Eurem Umfeld in Quaratäne ist, fragt, ob Ihr die Person unterstützen könnt. Neben der Hilfe bei der Versorgung kann auch ein Telefonat hilfreich sein.
Wenn Ihr bemerkt, dass jemand die Situation psychologisch nicht mehr bewältigen kann, sprecht die Person an und motiviert diese, sich professionelle psychologische oder psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Der Psychologische und Psychotherapeutische Dienst gehört zur Grundversorgung und wird aufrechtgehalten: https://www.ptk-nrw.de/
Sprecht über Eure Sorgen und Nöte. Egal, welchen Status/Image Ihr glaubt, bedienen zu müssen, oder welches Rollenbild Ihr für Euch gewählt, bzw. formuliert habt – es ist keine Schwäche, Eure Sorgen und Ängste Eurem Umfeld zu kommunizieren. Es gibt darüber hinaus von den Kommunen angebotene Nummern, an die Ihr euch wenden könnt. Auf meiner Homepage habe ich für Bochum Notfallnummern zusammengefasst: https://www.psychotherapie-mette.de/notfall.html
Versucht, Routinen in Euren Alltag zu implementieren. Routinen bieten Sicherheit. Nutzt die freie Zeit mit Eurer Familie und Euren Lieben.