Ob Heilpädagogische Ambulanz, Innovative Hochschule, Quartiersentwicklung oder Gemeindepädagogik und Diakonie: Mit spannenden Programmpunkten präsentierte sich die EvH RWL am 28. September auf der WissensNacht Ruhr 2018 im Bochumer BlueSquare. Wer sich für Wissenschaft und Forschung interessierte, war an diesem Nachmittag und Abend dort genau richtig (Foto-Galerie siehe unten; Fotos: Gottschick).
"Existentielle Transformation für Anfänger - oder: Ich bin zu 25 Prozent ein Tiger"
"Ob es uns gefällt oder nicht: Das Leben fordert Transformationen", ist EvH-Prof. Dr. Bernd Beuscher, Lehrender für Praktische Theologie, überzeugt. "Heute wird die ganze Welt digital transformiert." Dabei werde versprochen, dass sich das Leben mit Alexa, Siri & Co. leichter gestalte. "Es heißt, man müsse sich immer neu erfinden. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert," so Beuscher. Vielleicht sei es daher besser, sich mit Wandlungsprozessen anzufreunden. Unter dem Motto "Mausi, Hasi, Bärchen & Co." gab er den Besucher_innen der WissensNacht dazu Gelegenheit. Mit Hilfe eines Morphing-Programms half er Ihnen, Transformation sinnlich-humorvoll zu inszenieren. Dazu ließen sie ein Porträtfoto von sich machen, wählten aus einem Angebot von Tieren eines aus und bestimmten den Anteil des Tieres an ihrer Persönlichkeit (etwa: "Ich bin zu 25 Prozent ein Tiger"). Eben dieser Anteil wurde dann visualisiert.
Ob Eule, Fuchs, Hai oder Bär: Die Mixtur aus menschlichem Antlitz und Tier wurde schließlich zum Foto verarbeitet und den Besucher_innen mitgegeben. Wer wollte, konnte sich eine entsprechende Deutung dazu erläutern lassen. So hieß es etwa zur Eule: "Sie bemüht sich, Probleme zu lösen, indem sie versucht, eine win/win-Situation für die Kontrahenten zu schaffen. Sie ist ausgerichtet auf optimale statt befriedigende Lösungen." Der Fuchs hingegen schließe Kompromisse. Sein Konfliktverhalten beruhe auf dem Prinzip win/lose - win/lose.
Natürlich sei kein Tier auf die klassischen Klischees zu reduzieren: Der Fuchs sei nicht nur schlau, die Eule nicht nur weise. Und: "Natürlich ist jeder Mensch auch immer eine Mischung aus mehreren Tieren", so Beuscher, der sich an seinem Stand regen Zulaufs erfreute. Die dreieinhalbjährige Elif Su, eine der jüngeren WissensNacht-Besucherinnen, ging an die Frage jedenfalls ganz pragmatisch heran. "Sie will ein Kind-Fuchs-Foto haben, schlicht, weil sie Fuchs-Geschichten liebt und sie immer vor dem Einschlafen hört", verriet ihre Mama.
"Ich fühle, als weiß ich!?"
Wie Haptik uns zu den Menschen macht, die wir sind: Unsere Umwelt haptisch wahrzunehmen und damit tastend zu begreifen, ist Voraussetzung dafür, uns selbst und andere kennenzulernen, spielen sowie den Dialog und das Lernen an sich zu erlernen. Dementsprechend hatte Marie-Luise Hünerbein von der Heilpädagogischen Ambulanz der Evangelischen Hochschule kleine Experimente zur haptischen Wahrnehmung vorbereitet. Diese sollten zeigen, was wir schon alles über uns wissen und was es noch zu entdecken gilt.
Interessierte sortierten etwa mit verbundenen Augen und auf Zeit Linsen, Erbsen und Bohnen aus einer Box heraus. Oder sie steckten ihre Hände und Arme in einen Carton und schraubten quasi im Blindflug Flaschen und Gläser zu. Nicht ganz einfach, wenn das Gegenüber ebenfalls seine Hände im Carton hat und die Flaschen und Gläser wieder aufschraubt. Ein Höhepunkt war der so genannte Tower of Power, bei dem acht bis zehn jüngere und ältere Besucher_innen mit Hilfe eines metallenen Greifers Türmchen aus Holzklötzen bauten und den Greifer nur per Schnur koordinierten. Da galt es, Köpfchen und Geschick zu beweisen.
"Grenzenlos?!"
In Hinblick auf ein selbstbestimmtes Leben stehen unsere Wohnquartiere immer stärker im Fokus von Wissenschaft und Stadtplanung. Aber wie lebt es sich dort überhaupt? "Welche Orte gefallen uns gut, an welchen besteht noch Luft nach oben? An welchen Stellen gibt es sogar Barrieren, die uns daran hindern, so zu leben, wie wir es wollen? Wie könnte ein Wunsch-Quartier aussehen?", stellte EvH-Prof. Dr. Hendrik Baumeister, Lehrender für Quartiersentwicklung, an einem großen Mitmach-Stand die zentralen Fragen in den Raum.
Große und kleine Besucher_innen unterstützten die Evangelische Hochschule dabei, all dies spielerisch zu klären und Anregungen für die Bochumer Stadtentwicklung zu sammeln. Während sich die Jüngeren unter den Wissenschaftsbegeisterten aus Cartons, Eierschalen und Silberfolie kurzerhand ihre Wunsch-Stadt selbst bastelten - da wurden Polizeipräsidien ebenso hochgezogen wie Schulen und Spielplätze -, widmeten sich die Erwachsenen an Tablets der Frage: Wie empfinde ich meine Stadt?
Im Rahmen einer Online-Befragung, die ebenso wie die Tablets von der Hochschule für Gesundheit (hsg) zur Verfügung gestellt worden war, ging es um Wohlfühl-Räume und Angst-Orte - hauptsächlich in Bochum. "Orte von schön bis scheußlich", wie es Daniel Simon, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der hsg, auf den Punkt brachte.
Während im Laufe des Abends mehrere tausend Besucher den Stand frequentierten, gingen Insgesamt 75 Beiträge zur Befragung ein, die dann per Beamer auf eine digitale Karte projiziert wurden und eben jene schön bis scheußlichen Orte kennzeichneten. Auf einer Karte aus Papier konnten Neugierige mit Punkten analog ihre persönlichen Hotspots markieren. "Klassisch waren natürlich dunkle Stellen wir Bahn-Unterführungen als Angst-Räume und Grünflächen als Wohlfühl-Orte", berichtete Hendrik Baumeister im Nachhinein.
Die Ergebnisse der Befragung, die nicht repräsentativ ist, werden nach der Auswertung an die Bochumer Stadtentwicklung weitergeleitet. Die Befragung ist noch eine Woche lang online. Wer teilnehmen möchte, kann das unter folgendem Link tun: https://enketo.hs-gesundheit.de/::YYYe
Unterm Strich war Hendrik Baumeister mit der Resonanz zufrieden - auch, wenn er mehr als die 75 Einträge erwartet hätte. Überdies seien der Süden und Osten Bochums bei der Befragung stärker vertreten gewesen als der Norden und Westen, wie er bilanzierte. Begeistert zeigte er sich vom Engagement der jüngsten "Stadtplaner": "Toll, wie kreativ und frei die Kinder daran gegangen sind." Für die Eltern sei das eine gute Gelegenheit gewesen, in aller Ruhe an der Befragung teilzunehmen. "Die wussten ja, der Nachwuchs ist gut versorgt."
"Wenn ich Du wäre..."
Beim Stand der "Innovativen Hochschule" ging es vor allem um die Vielfalt von Perspektiven: Das neue Transfernetzwerk der Evangelischen Hochschule lud dazu ein, für kurze Zeit eine andere Identität anzunehmen und die soziale Welt mit fremden Augen zu betrachten. So schlüpften Besucher- und Besucher_innen mit Hilfe von Personen-Karten - etwa: "Anne, 58 Jahre, seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz" - in ungewohnte Perspektiven.
"Wichtige Herausforderungen wie die Integration von Geflüchteten oder die Inklusion von Menschen mit Behinderung nehmen wir meist nur aus unserer eigenen - gewohnten - Sicht wahr", erläuterte Forschungsreferent Jens Koller dazu. "Bei uns bekommen Sie heute die Möglichkeit, den gewohnten Standpunkt zu verschieben."
Was wäre wichtig, wenn man nicht gehen könnte? Kein Deutsch spräche? Arm oder auch reich wäre? Frau oder Mann? Jung oder alt? Um sich da besser hinein zu versetzen und Bedürfnisse zu formulieren, nutzten Besucher_innen entweder vorgefertigte Kärtchen oder schrieben selbst welche, um sie an einen Lebensbaum zu hängen. Ob Sinn/Verwirklichung, Vertrauen, Wohlwollen/Fürsorge oder Struktur/Ordnung: Wer wollte, konnte die Kärtchen dem jeweiligen Personen-Ast zuordnen. Bei Anne, 58, landeten etwa Kärtchen wie: Geld/Zuhause oder auch niederschwellige Beratung/unbürokratische Hilfe.
Im Rahmen einer Foto-Galerie haben wir einige Eindrücke der diesjährigen WissensNacht festgehalten (Fotos einzeln anklickbar):