Die Vortragsreihe „Disability Studies – Diversity für alle! Oder?“ startete jetzt online und wurde vom Transfernetzwerk Soziale Innovation (s_inn) und vom Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS) der Evangelischen Hochschule RWL (EvH) in Kooperation mit der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO) durchgeführt.
Den Auftakt machte der Inklusions-Aktivist, Autor und Medienmacher Raúl Krauthausen (Foto) mit seinem Vortrag „Barrierefreie Projekte: Weiterentwicklung der sozialen Netze – ohne Zeit, ohne Geld, ohne Ahnung“. Etwa 90 Teilnehmende – bestehend aus einem breiten Fachpublikum und weiteren Interessierten – fanden sich via Onlinekonferenz zusammen und stellten im Anschluss zahlreiche Fragen in Form von Video-Zuschaltung oder Chat. Der Vortrag wurde durch Gebärdensprach- und Schriftdolmetschung barrierefrei gestaltet. Seit über 15 Jahren setzt sich Raúl Krauthausen für Inklusion und die Rechte für Menschen mit Behinderung ein. Die Gründung der „Sozialhelden e.V.“ im Jahre 2004 nimmt dabei einen besonders hohen Stellenwert ein. Dabei handelt es sich um ein mittlerweile großes Netzwerk aus Aktivisten mit und ohne Behinderung, welche innovative Lösungen für eine chancengerechte und gleichberechtigte Teilhabe aller fortlaufend entwickeln und umsetzen.
Insbesondere die Bewusstseinsschärfung zum Thema Behinderung und Etablierung von Inklusion ist als grundlegendes Ziel verankert. Dies baut auf dem Grundstein des menschenrechtlichen Modells von Behinderung auf und folgt somit der UN-Behindertenrechtskonvention. Krauthausen kritisierte, dass besonders in Zeiten der Corona-Krise das medizinische – also an Defiziten orientierte – Menschenbild eine Vorreiterrolle einnehme und somit die wichtigen, sozialen Fragen vernachlässigt würden.
Genau hier knüpften die zahlreichen Projekte der „Sozialhelden“ an, welche durch das „Design Thinking-Modell“ entwickelt und optimiert werden. Das bedeutet, dass aus der Befragung von Menschen mit Behinderung selbst ihre Herausforderungen aus unterschiedlichsten Konfliktfeldern angegangen werden und sie nicht – wie so oft – bevormundet würden. Neben der weltweit erfolgreichen App „Wheelmap.org“ sorgten u.a. die Apps „Wheelramp“, „BrokenLifts“, „TravelAble“ und „TV für alle“ für den Abbau von Barrieren, indem jeder Einzelne aktiv mitwirken könne.
Um eine authentische Berichterstattung mit Menschen mit Behinderung zu ermöglichen und das Bild des hilfsbedürftigen oder gar heroischen Behinderten zu entmachten, böten die Initiative „Gesellschaftsbilder“ und das große Projekt „Leidmedien“ Journalisten Workshops und Beratungsangebote an. Aufgrund der Corona-Pandemie gebe es aktuell eine derart hohe Nachfrage nach Interviews, dass innerhalb kürzester Zeit über 100 Berichterstattungen aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung ermöglicht werden konnten.
Krauthausen kritisierte, dass man auf besonders harten Widerstand seitens der Behindertenwerkstätten im Hinblick auf Inklusion innerhalb des ersten Arbeitsmarktes stoße. Behinderung gehöre noch immer nicht der Selbstverständlichkeit an; besonders in der politischen Dimension bestehe noch viel Handlungsbedarf.
Um dennoch Jugendlichen mit Behinderung Mut und Inspiration zu geben, präsentiere die Plattform „Andersmacher“ Vorbilder, die erfolgreich im ersten Arbeitsmarkt tätig seien. Ebenso verteilt das Projekt „JOBinklusive“ Tipps und Tricks an die Arbeitgebenden und empowere vor allem Arbeitnehmende mit Behinderung, um bestenfalls gar nicht erst den Weg in eine Behindertenwerkstatt zu finden.
So liege es in unser aller Verantwortung, dass Menschen mit Behinderung gleichwertig behandelt und ihre Wünsche und Träume anerkannt werden. Besonders in Zeiten von COVID-19 könne jeder schon mit kleinen Tätigkeiten zum Helden werden: Sei es, dem Nachbarn mit Einkäufen zu helfen oder einen Blick in das Online-Magazin „Die Neue Norm“ zu werfen, um mehr über die aktuelle Situation von Menschen mit Behinderung zu erfahren.
Mehr zu Disability-Mainstreaming: https://sozialhelden.de/
Gina Schmitz
Berichterstattung zu Teil zwei: https://www.evh-bochum.de/artikel/disability-studies-diversity-fuer-alle-oder-zweiter-vortrag.html
Berichterstattung zu Teil drei: https://www.evh-bochum.de/artikel/disability-studies-diversity-fuer-alle-oder-teil-drei-912.html
Berichterstattung zum Abschluss: https://www.evh-bochum.de/artikel/x-916.html