1. Präambel
Die folgenden Leitlinien basieren auf dem Leitbild der EvH RWL von 1999. Sie explizieren, aktualisieren und ergänzen Aussagen des Leitbilds. Sie dienen der Verständigung über Prinzipien, die für die Arbeit der EvH gelten und charakteristisch sind. Angesichts aktueller Herausforderungen – Bologna-Prozess, Akkreditierungsanforderungen, Wettbewerb zwischen den Hochschulen, Diversität der Studierenden, Lebenslanges Lernen etc. – sollen die Leitlinien Orientierung bieten und Entwicklungsperspektiven markieren. Sie sollen eine Grundlage sein für strategische Entscheidungen in verschiedenen Aufgabenfeldern. Die Leitlinien dienen zugleich der Darstellung der Hochschule nach außen.
2. Hochschule der Landeskirchen in NRW
Die Evangelische Hochschule - University of Applied Sciences - wurde 1971 gegründet. Sie steht in der Tradition der evangelischen Ausbildung für diakonische und sozialpflegerische Berufe, die in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. In der EvH gingen verschiedene Vorläufereinrichtungen auf – u.a. die Höhere Fachschule für Sozialarbeit der Evangelischen Frauenhilfe von Westfalen in Bochum, die Höhere Fachschule für Sozialpädagogik des Diakoniewerks Kaiserswerth, das Institut für Heilpädagogik in Bielefeld-Bethel und das Evangelische Seminar für Gemeindepflege und Katechetik in Düsseldorf. Mit der Überführung der Vorgängereinrichtungen in die Evangelische Hochschule wurde angesichts wachsender Anforderungen einer wissenschaftlichen Fundierung der Ausbildung Rechnung getragen. Träger der EvH sind die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche. Die EvH ist die Hochschule der evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen.
Die Hochschule versteht sich als Ort, an dem die kirchliche Bildungsverantwortung in der Gesellschaft in spezifischer Weise wirksam wird. Sie hat am evangelischen Bildungsauftrag teil und weiß sich zugleich dem öffentlichen Bildungswesen zugeordnet. Die EvH ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und staatlich anerkannt.
Sie ist in Lehre, Weiterbildung und Forschung ausgerichtet auf Problemstellungen und Aufgaben des Sozial- und Gesundheitswesens, der Diakonie und kirchlichen Bildungsarbeit. Hohe Fachlichkeit und moderne Wissenschaftsorganisation, klare Praxisorientierung und intensive Kommunikation, protestantische Prägung und kulturelle Vielfalt kennzeichnen die Hochschule.
3. Orientierung am christlichen Menschenbild
In den unterschiedlichen Bereichen der Hochschule gehen wir von dem Verständnis der Welt und des Menschen aus, wie es die christlichen Traditionen überliefern.
Wir nehmen den Menschen als einzigartiges Individuum sowie als beziehungsoffene und gemeinschaftsfähige Person wahr. Die protestantische Tradition bringt besonders zur Geltung, dass dem Menschen Würde bedingungslos und unabhängig von jeder vorfindlichen Gestalt zugesprochen wird. Er ist das Wesen, das über alle gegebenen Bedingungen und Zuschreibungen hinausweist und sich weder über seine Leistungen noch über seine Verfehlungen definieren lässt. Ihm kommt unabhängig von Geschlecht und Alter, Krankheit oder Behinderung, sozialer und ökonomischer Stellung, religiöser, kultureller und sexueller Identität eine unantastbare Würde zu.
Unser Verständnis vom Menschen gründet in seiner Gottebenbildlichkeit. Sie ist – als Gabe und Aufgabe – Erinnerung und Verpflichtung zur Gestaltung individueller und sozialer Humanität, im Verbund mit allen, die den Menschen als Individuum und als Person achten und zu einer Kultur der wechselseitigen Anerkennung und Solidarität beitragen.
Die damit einhergehende Unterscheidung von Gott und Mensch erinnert daran, dass menschliches Leben von seinem Wesen her fehlbar, fragmentarisch und verletzlich ist, und bewahrt davor, Menschen perfektionieren zu wollen.
Die Orientierung am christlichen Verständnis des Menschen ist dialogisch auf andere religiöse Traditionen und weltanschauliche Grundüberzeugungen zu beziehen.
Im Licht der beschriebenen Grundsätze tragen wir zu einer kritischen Reflexion beruflicher Praxis bei.
4. Unser Bildungsverständnis
Die Lehre stellt den zentralen Leistungsbereich der EvH dar. Zur Lehre treten die Forschung sowie die Fort- und Weiterbildung als unverzichtbare Aufgabenbereiche hinzu. Der Lehre sowie der Fort- und Weiterbildung liegt ein umfassendes Bildungsverständnis zu Grunde, das berufliche Kompetenzen, ethische, politische und ästhetische Reflexion und Persönlichkeitsbildung integriert. Die wissenschaftliche Perspektive tritt nicht additiv zu anderen Aufgaben (berufspraktische Fähigkeiten, Persönlichkeitsbildung) hinzu, sondern stellt ein durchgehendes Bildungsprinzip dar, das auf Unabhängigkeit, Kritik, Distanz und Reflexivität zielt.
Ausbildung und allgemeine Bildung sind miteinander verschränkt. Die Professionalität sozialer Berufe schließt spezifische Werthaltungen ein. Die im Sozial- und Gesundheitswesen, in der Bildungsarbeit und in der Diakonie beruflich Tätigen bringen sich immer auch mit ihrer Persönlichkeit ein und schöpfen aus personalen Ressourcen.
Bildung ist auf allen Ebenen und in jedem Lebensabschnitt selbstbestimmte und selbstbewusste Tätigkeit, die der Bildungsanregungen und Bildungsprovokationen bedarf. Dem will die EvH dadurch gerecht werden, dass sie den Studierenden Bildungsräume, Bildungsstrukturen, personale Begegnungen und ein breites Spektrum wissenschaftlichen Wissens und Forschens anbietet.
Die EvH weiß sich ihren Studierenden als Bildungssubjekten verpflichtet. Sie orientiert ihre Bildungsprozesse zugleich an den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen, auf die sich die beruflichen Kompetenzen der Absolventinnen und Absolventen beziehen. Die hochschulische Bildung soll einen Beitrag dazu leisten, dass in den sozialen Feldern Personen tätig werden, die das Selbstbestimmungsrecht und die Bildungsbedürfnisse ihres Klientels professionell und verantwortungsvoll mitgestalten.
Die Fort- und Weiterbildungsangebote der EvH verstehen sich als Angebote an die Absolventinnen und Absolventen sowie an die Fachkräfte in der Region, sich mit den aktuellen wissenschaftlichen und professionsbezogenen Entwicklungen auseinander zu setzen, sich auf hohem Niveau beruflich weiter zu qualifizieren und sich ggf. im Berufsfeld neu zu orientieren. Dem Konzept des lebenslangen Lernens verpflichtet, bieten die Fort- und Weiterbildungsangebote ein Forum für Selbstreflexion und Reflexion der ethischen Implikationen beruflichen Handelns. Der Austausch mit den im Berufsfeld tätigen Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern kommt der Lehre und der Forschung an der EvH zugute.
5. Diversität und Inklusion
Die EvH versteht Bildung als Menschenrecht, das allen Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status oder ihren persönlichen Eigenschaften zusteht. Soziale oder ethnische Herkunft, Alter, Geschlecht oder Behinderung, Religionszugehörigkeit oder sexuelle Identität sollen keine Zugangsbarrieren für ein Studium an der EvH sein.
Vielfalt begreifen wir als Bereicherung für die Bildungs-, Forschungs- und Arbeitsprozesse in unserer Hochschule und für die berufliche Praxis. Dies bedeutet den Abbau von Barrieren und Diskriminierung jeglicher Art sowie die Bemühungen um ein inklusives Bildungs-, Forschungs- und Arbeitsklima. Die EvH sucht in ihren Studienangeboten den heterogenen Vorkenntnissen und Prägungen sowie den vielfältigen Bedarfen und Ansprüchen der Studierendenschaft und der zukünftigen Studierenden Rechung zu tragen.
Gerade die geografische Lage der EvH im Ruhrgebiet mit seiner alten und jüngeren Zuwanderungsgeschichte fordert dazu heraus, die interkulturelle Qualifizierung zu reflektieren und weiter zu entwickeln. Dabei sind die Orientierung an christlichen Wertvorstellungen und Offenheit und Toleranz in der interkulturellen und interreligiösen Begegnung immer neu und dialogisch zu gestalten.
Inklusion ist nicht nur Gegenstand der Lehre und Forschung in den Studiengängen der EvH, sondern auch Ausdruck des Selbstverständnisses unserer Hochschule. Ziel ist es, die EvH soweit als möglich für alle Menschen, insbesondere aber für behinderte und chronisch kranke Menschen, zu öffnen und entsprechende Bedingungen zu schaffen.
Für die EvH ist die Gleichstellung von Frauen und Männern eine Querschnittsaufgabe. Der Hochschule ist es ein Anliegen, die Belange von Frauen zu vertreten und den Frauenanteil in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, zu erhöhen. Die Verbindung von Studium bzw. Beruf und Familie sowie sorgenden Tätigkeiten soll Frauen und Männern gleichermaßen ermöglicht werden. Genderaspekte finden in Studium und Lehre, Weiterbildung, Forschung und Beratung besondere Berücksichtigung. Dies schließt auch die Unterstützung der Programme unserer Trägerkirchen gegen sexualisierte Gewalt ein.
6. Wissenschaftliche Orientierung
Die Hochschule versteht sich als Ort der Erzeugung und Vermittlung gesellschaftlich relevanten Wissens. Sie verwirklicht diese Aufgabe durch die Gestaltung offener Lernprozesse.
Wissenschaftliche Arbeit vollzieht sich unter den Bedingungen des weltanschaulichen und wissenschaftlichen Pluralismus. In diesem Kontext institutionalisiert und fördert die EvH in besonderer Weise das ständige gemeinsame Bemühen aller Lehrenden und Studierenden, die Unterschiede und Kontroversen im Verständnis von Wissenschaft und zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen argumentativ darzulegen. Zu den Kernpunkten solcher inter- und intradisziplinären Dialoge gehören die Explikation der jeweiligen vorausgesetzten Menschenbilder und der theoretischen Grundannahmen, der systematische Theorie-Praxis-Transfer sowie die aktive Beteiligung der Studierenden. Dem Dialog zwischen den Human- und Sozialwissenschaften und der Theologie kommt eine spezifische Bedeutung zu.
Als University of Applied Sciences steht die EvH in einer Wissenschaftskultur, für die Anwendungsbezug und Praxisorientierung konstitutiv sind. Theoretisches Wissen und praxisbezogenes Handeln sind eng verbunden. Der für die Hochschule kennzeichnende Anwendungsbezug von Lehre, Weiterbildung und Forschung meint den ständigen Prozess der aktiven Transformation von Wissenschaft in praxisorientiertes Fragen, Forschen und Gestalten sowie die Aufnahme praxisorientierter Fragen in die Forschung und Lehre. Die Teilnahme an diesem Prozess - und nicht lediglich die Vermittlung instrumentellen Wissens - kennzeichnet das wissenschaftliche Selbstverständnis der EvH.
Die Hochschule stellt sich in ihren verschiedenen Bereichen ihrer sozialen und politischen Verantwortung. Dabei ist das Spannungsverhältnis zwischen den gesellschaftlich erwarteten und geforderten Dienstleistungen und der für Wissenschaft unverzichtbaren Distanz gegenüber gesellschaftlichen Erwartungen produktiv zu gestalten.
7. Anwendungsorientierte Forschung
Die Hochschule versteht sich als Ort der Forschung und unterstützt die Lehrenden in ihren Forschungsvorhaben. Forschung wird verstanden als anwendungsorientierte Forschung, vorzugsweise in den Schwerpunkten, die dem Studiengangs- und Lehrprofil der Hochschule entsprechen und auf die Arbeitsfelder der Absolventinnen und Absolventen bezogen sind.
Forschung und Lehre werden miteinander verbunden, beispielsweise durch Lehr-Forschungs-Projekte und die Begleitung forschungsbezogener Abschlussarbeiten. Forschungsfragen und Forschungsergebnisse werden mit den regionalen und überregionalen Kooperationspartnern der Hochschule kommuniziert und gemeinsam reflektiert. Mit ihren An- und In-Instituten trägt die Hochschule zur Profilierung und ethischen Fundierung der Forschung in den Bereichen des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesens sowie der Diakonie bei. Die Hochschule versteht sich als einen diskursiven Ort des Austausches zwischen Forschung und (Fach-)Öffentlichkeit. Die Hochschule sieht sich in besonderer Weise verpflichtet, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, z.B. durch die Verbesserung von Promotionschancen ihrer Absolventinnen und Absolventen.
8. Internationalisierung
Die EvH entwickelt ihre internationale Ausrichtung im Horizont der fortschreitenden Globalisierung weiter. Wir verstehen Internationalisierung als Prozess, der die ganze Hochschule betrifft und von allen Gruppen aktiv zu gestalten ist. Die EvH will zum friedlichen Zusammenleben der unterschiedlichen Menschen und Gruppen und zu einer partnerschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Sie sucht mit ihren Möglichkeiten den destruktiven Prozessen, die mit dem globalen Wettbewerb verbunden sind, Strategien der Verständigung und der Kooperation entgegen zu setzen.
Internationalität ist eine Dimension der berufsbefähigenden Ausbildung. Darüber hinaus begreift sich die EvH als Ort der Bildung zu einem Leben in der Einen Welt. Wir beteiligen uns am ökumenischen Dialog. Internationale Hochschulkontakte dienen einerseits dem kulturellen Austausch und andererseits dem Wissenstransfer. Wir wertschätzen und fördern den internationalen Austausch von Studierenden und Lehrenden. Wir betrachten ausländische Studierende und Lehrende als Bereicherung für unsere Hochschule.
9. Kommunikation, gemeinsame Räume, öffentliche Bezüge
Durch die Möglichkeiten der Selbstorganisation sowie durch durchgängige Partizipationsstrukturen will die EvH die Kommunikationen der Studierenden untereinander sowie mit den Lehrenden auf formaler wie nichtformaler Ebene gewährleisten.
Über Arbeitsplätze und Bildungsangebote hinaus bietet die EvH allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie allen Studierenden und Lehrenden Zeit und Möglichkeiten zur Begegnung in Gottesdiensten, Festen und künstlerisch-kulturellen Veranstaltungen. Auf diese Weise versichern wir uns unseres gemeinsamen Auftrags im Sinne dieser Leitlinien – trotz der Unterschiedlichkeit der Arbeitsfelder (Lehre, Verwaltung, Studium) und der damit verbundenen individuellen Perspektiven, Rollen und Professionen.
Die Hochschule versteht sich als eine im Kontext von städtischen Einrichtungen, regionalen Akademien und Bildungsträgern, Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und Landeskirchen, sozialen und diakonischen Einrichtungen und Verbänden vernetzte Hochschule. Dieser Vernetzung, die eine enge Partnerschaft mit den Hochschulen vor Ort und in der Region mit einschließt, dienen gemeinsame Veranstaltungen und Projekte im Sinne einer offenen Hochschule. Der Alumni-Arbeit messen wir eine hohe Bedeutung zu.
10. Lernende Organisation
Die EvH versteht sich als lernende und verbesserungsfähige Organisation. Sie entwickelt und überprüft Strategien und Maßnahmen, die darauf zielen, im forcierten Wettbewerb zwischen den Hochschulen gut zu bestehen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, schärft die Hochschule ihr Profil und setzt klare Schwerpunkte. Sie entwickelt ein differenziertes Verständnis von Qualität weiter, das die verschiedenen Dimensionen der Leistungen und die damit verknüpften unterschiedlichen Erwartungen berücksichtigt. Das umfassende Qualitätsmanagement der EvH dient der kontinuierlichen Verbesserung der Strukturen, Prozesse und Ergebnisse in den Feldern der Lehre, Weiterbildung und Forschung sowie der Hochschulleitung und Verwaltung. Zugleich sucht die EvH in der Hochschule selbst und in ihrem Verhältnis zu anderen Bildungseinrichtungen die Mechanismen von Wettbewerb und Konkurrenz durch kooperatives, kommunikatives und sozial verantwortliches Handeln zu begrenzen.
Der Umgang miteinander in der Hochschule soll von gegenseitiger Wertschätzung und Toleranz geprägt sein und Beteiligten Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit einräumen. Durch Teamarbeit sowie klare Organisations- und Entscheidungsstrukturen sollen Entscheidungen und Maßnahmen in Lehre, Forschung, Weiterbildung und Verwaltung sowie in den Organen und Gremien der Hochschule transparent gefällt und die anvertrauten Ressourcen nachhaltig genutzt werden. Ein Führungsstil, der Vertrauen schafft, Zusammenarbeit ohne Diskriminierung und die Beachtung von Mitwirkungsrechten sind wesentliche Voraussetzungen für die weitere erfolgreiche Entwicklung unserer Hochschule.
Die EvH lebt vom Dialog ihrer Mitglieder. Die Leitlinien sind Ausdruck und integraler Bestandteil dieses Dialogs. Die hier formulierten Zielsetzungen sind im Blick auf die verschiedenen Arbeitsfelder zu konkretisieren. Sie bedürfen der kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwicklung.