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Inklusion: Theoretische Ansprüche und konzeptionelle Voraussetzungen
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Inklusion: Theoretische Ansprüche und konzeptionelle Voraussetzungen

Vor mehr als zehn Jahren wurde die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet. Mittlerweile haben über 160 Staaten, auch die Bundesrepublik, diesen Völkerrechtsvertrag unterschrieben. Damit verbinden viele die Hoffnung auf einen Perspektivwechsel, in den sozialen Diensten und im alltäglichen Zusammenleben. Der verbriefte Anspruch auf Barrierefreiheit und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen gesellschaftlichen Bereichen ist eine enorme Herausforderung. Dazu bedarf es nicht nur handfester Ressourcen und mehr Personal, sondern vor allem auch konzeptioneller und struktureller Veränderungen.

Die Herausgeber_innen der Publikation „Menschenrecht Inklusion“  haben sich dieser Herausforderung gestellt: Welche wissenschaftlichen und praxisbezogenen Überlegungen  sind wichtig, damit in den einzelnen sozialen Handlungsfeldern Inklusion gelingen kann? Schon mit dem Buchprojekt selbst haben die Autor_innen Neuland betreten:  Nicht einzeln sondern in Teams haben sie ihre theoretischen Einsichten, ihr Erfahrungswissen und konzeptionellen Vorschläge in gemeinsamen Artikeln zur Sprache gebracht. Der Transfer zwischen Wissenschaft und sozialer Praxis gelingt hier auf Augenhöhe.

Entlang der Lebensphasen – von der inklusiven Frühpädagogik über notwendige Reformen der Erziehungshilfe bis zu den Herausforderungen in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Partnerschaft, Begleitung im Alter von Menschen mit und ohne Behinderung – haben die Autor_innen-Tandems und  -Gruppen ihre Erkenntnisse diskutiert und als Gemeinschaftsprojekt zu Papier gebracht – inklusive guter Praxisbeispiele. Der allgemeine Diskurs um Inklusion ist sehr auf die Bereiche Schule und Ausbildung fokussiert. Das Buchprojekt erweitert die Perspektive: Was bedeutet „inklusive Sozialraumgestaltung“ konzeptionell und praktisch? Dieser Frage gehen beispielsweise Siegfried Bouws vom Neunkirchener Erziehungsverein und Christiane Grabe vom ev. Zentrum für Quartiersentwicklung nach, gemeinsam mit  Stefan Schache und Kristin Sonnenberg, beide Professor_in der evangelischen Hochschule Bochum. Beleuchtet wird auch das schwierige Feld der „rechtlichen Betreuung“, die nach den Prinzipien der Behindertenrechtskonvention bestenfalls als „Assistenz“, nicht aber als Ersatz rechtlicher Handlungsfähigkeit interpretiert werden kann. Keinesfalls nebensächlich ist der schöne Lebensaspekt der Kunst, der am Beispiel der Arbeit des „Ateliers Strickstärke“ in seinen theoretischen wie praktischen Dimensionen ausbuchstabiert wird.

Professor_innen der Bochumer Hochschule, Theresia Degener, Sigrid Graumann, Gerhard K.Schäfer und Petr Ondracek erinnern an die zentralen rechtlichen, ethischen, theologischen und heilpädagogischen Prinzipien des „Menschenrechtes Inklusion“, um die notwendige Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in die institutionelle Praxis zu unterstreichen. Ganz unumstritten ist die Konvention nicht. Die Bochumer Soziologin Hildegard Mogge-Grotjahn weist in einem Beitrag zur Intersektionalität darauf hin, dass auch andere Differenzmerkmale wie Geschlecht, Herkunft und sozialer Status in einem konsequent durchdachten Inklusionsdiskurs gehören. Ihr Kollege Uwe Becker zeigt auf, was in der beruflichen Praxis durchaus auch eine wichtige Erfahrung ist: Die sozialpolitischen Bedingungen bescheren dem Anspruch auf das „Menschenrecht Inklusion“ derzeit noch manche Barrieren.

Theresia Degener/Klaus Eberl/Sigrid Graumann/Olaf Maas/Gerhard K.Schäfer (Hsrg.). Menschenrecht Inklusion. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2016

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