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Menschenrechtsorientierte Theorie und Praxis
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Menschenrechtsorientierte Theorie und Praxis

Was kann Wissenschaft angesichts der politisch und gesellschaftlich als „Flüchtlingskrise“ thematisierten Wanderungsbewegungen leisten? Welche Aufgaben und Handlungszugänge ergeben sich für die soziale und therapeutische Arbeit? Diesen Fragen gehen die Professorin Cinur Ghaderi und Professor Thomas Eppstein von der Evangelischen Hochschule RWL in Bochum in der Publikation „Flüchtlinge. Multiperspektivische Zugänge“ auf den Grund. Expertengestützte Problemlösungen oder so etwas wie gesamtgesellschaftlich wirksame „Rettung“ unter wissenschaftlicher Führerschaft können hier nicht erwartet werden. Wohl aber Perspektiven aus unterschiedlichen Disziplinen, die „Studierenden, Lehrenden und Forschenden in Hochschulen, Hauptamtlichen in den betroffenen Praxisfeldern“ wie auch „freiwillig Engagierten, Ehrenamtlichen und interessierten Laien“ sachhaltige und menschenrechtliche Orientierungen ermöglichen.

Die zahlreichen Autor_innen lehren und forschen an der ev. Hochschule in Bochum, den Hochschulen in Erfurt, Freiburg und Niederrhein, den Universitäten in Bremen, Frankfurt/M. und Marburg oder sind in beruflichen Praxisfelder im Rhein- und Ruhrgebiet tätig. Unter disziplinärer theoretischer Perspektive werden die Beziehung von Aufnahme der Geflüchteten und rechtsradikalen Tendenzen problematisiert, der „Aufstand der Anständigen“ berücksichtigt sowie der „Aufstand der Zuständigen für die Sicherung von Demokratie und Rechtsstaat“ angemahnt. Im Zentrum ethischer Reflexion stehen Begründungsangebote, die Pflicht zur Aufnahme geflohener Menschen und ihr Recht auf Zugehörigkeit anzuerkennen. Rechtswissenschaftler_innen konstatieren die immer defizitärer werdende Rechtsstellung der Geflüchteten und analysieren die „Flüchtlingskrise“ als unzureichendes internationales System des Flüchtlingsschutzes. Im Fokus soziologischer Betrachtung sind die globalen Ungleichheitsschwellen als „Produktion neuer Migrationsmöglichkeiten und -motive“ bedeutsam, pädagogisch die Bildung im Sinne eines „menschenrechtlichen Würdebegriffs“. Schließlich bietet die Sozialpsychologie Erklärungen, wie Kategorisierungen der „Fremden“ entstehen und wie sie vermieden werden können.

Unter medienanalytischer und kunsthistorischer Perspektive sind die Botschaften der Printmedien, Filme und die Wirkmächtigkeit von Bildern wichtig, um zu verstehen welche Vorstellungen von „Flüchtlingen“, aber auch welche Selbstbeschreibungen zurzeit das kollektive Bewusstsein dominieren und Politik beeinflussen.

In dieser gesellschaftlichen Kulisse arbeiten professionelle Dienstleister_innen der Sozialen Arbeit und medizinischen Versorgung. Sie beschäftigen sich mit traumatisierten Kindersoldaten, geflohenen Kindern und Frauen, entwickeln kultursensible Psychotherapiekonzepte, medizinische Versorgungsprojekte inklusive Sprach- und Integrationsmittler_innen und organisieren als Sozialarbeiter_innen Wohnungen, Arbeitsmöglichkeiten, Bildungschancen. Das Buch unterstreicht einmal mehr: Im Austausch von Theorie und Praxis ist das Erkennen von Grenzen und Chancen menschenrechtsorientierter Denk- und Handlungszugängen möglich – und ausgesprochen wichtig für das gesellschaftliche Zusammenleben.

 

Cinur Ghaderi/Thomas Eppenstein (Hrsg.): Flüchtlinge. Multiperspektivische Zugänge. Wiesbaden (Springer VS) 2017

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