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Gespräche mit Studierenden
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Gespräche mit Studierenden

Jan Hinze, Soziale Arbeit:

...schildert sein Gastsemester an der University of the Western Cape in Südafrika, wo er von Anfang Februar bis Ende Juli 2020 im “Department of Social Work’s Bachelor of Social Work (BSW)” studierte:

“Mein Auslandssemester war durch die Corona-Pandemie zwar nicht so, wie ich es mir zuvor vorgestellt hatte. Dennoch war es eine Zeit, die mich persönlich weiterentwickelt und enorm gestärkt hat.Da ich durch einen landesweiten Lockdown die längste Zeit gezwungenermaßen alleine verbrachte, musste ich meine Probleme und Herausforderungen komplett ohne Hilfe bewältigen. Keine Freunde oder Familienmitglieder um mich, die mir Ratschläge geben oder mir Mut zusprechen konnten. Kontakt zur Außenwelt gab es nur online durch Videocalls oder Whatsapp-Nachrichten, die aber den menschlichen Kontakt nicht ersetzen konnten. 

Bis es aber zu dieser Isolierung kam, hatte ich knapp zwei Monate, in denen ich den Uni-Alltag in Kapstadt miterleben durfte. Ich habe mitten auf dem Campus der University of the Western Cape gelebt und konnte so schnell neue Bekanntschaften machen und Freunde finden. Diese haben mir sehr bei der Eingewöhnung in mein neues Umfeld geholfen. Durch ihre offene und neugierige Art, einen deutschen Studenten kennenzulernen, konnte ich mich sofort an meinen neuen Alttag gewöhnen und durch Austausch unserer verschiedenen Kulturen und Angewohntheiten viel über den ,South African way of life´ lernen.

Gleich die erste Woche des Semesters an der UWC fiel durch den Streik unzufriedener Studierender aus. Sie beklagten zu hohe Studiengebühren und allgemeine Unzufriedenheit, die sie durch Streiks, bzw. gewaltbereite Proteste ausdrückten. Dennoch ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen und besuchte enthusiastisch meine ersten Vorlesungen. Vor Ort belegte ich drei Module des Studiengangs Soziale Arbeit, während meine südafrikanischen Kommilitonen vier Module im Bereich Soziale Arbeit und zwei im Bereich Psychologie belegten. An der UWC sind alle Studierende eines Semesters in einer Klasse, wodurch ich zwar immer dieselben Leute traf, es aber auch den Vorteil brachte, dass ich schnell Kontakte zu Kommiliton_innen knüpfen konnte, die mir dann bei Fragen zur Seite standen. 

Die Vorlesungen erinnerten mich sehr an die in Deutschland, da von Powerpoint-Folien abgelesen, Gruppenarbeiten organisiert oder auch Diskussionen geführt wurden. Anders war nur der Afrikaans Akzent mancher Dozent_innen, der am Anfang wirklich schwer zu verstehen war. Während des Semesters mussten wir regelmäßig Aufgaben ausarbeiten, die wir dann auf der Online-Plattform "Ikamva" den Dozent_innen einreichten. Neben diesen Aufgaben mussten wir Assignments abgeben, die den Hausarbeiten an der EvH glichen, jedoch mit mehr Vorgaben und Regeln verbunden waren. Da mir das Schreiben von Assignments in einer anderen Sprache recht schwer fiel, nahm ich einige Hilfen wie das "Writing Centre" in Anspruch, um meine Skills in Englisch zu verbessern.

Die Hilfen wurde mir vom zuständigen Department und meinen Dozent_innen angeboten, die auch sonst eine sehr zuvorkommende Art hatten, mir mit jeglichen Problemen oder Anliegen weiter zu helfen. Außerdem nutzte ich die riesige Bibliothek der Uni, um für ausreichend Referenzen zu sorgen, da Artikel aus dem Internet nicht so gern gesehen waren. Diese Bibliothek war einfach beeindruckend, da sie sich über mehrere Stockwerke erstreckte und jeder Studiengang seinen eigenen Bereich hatte. Neben der Bibliothek war ich vom gesamten Campus der UWC beeindruckt, da ich einen so großen Campus mit zahlreichen Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten von der EvH nicht gewohnt bin. 

Der Campus der University of the Western Cape besitzt ein eigenes Stadion für Hunderte von Zuschauer_innen, ein Indoor- und Outdoor-Schwimmbad, ein Fitnessstudio, eine eigene Bar, mehrere Essensgeschäfte, Bankautomaten, etliche Studierendenunterkünfte, Tennisplätze sowie weitere große Forschungsgebäude, Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Meine Bekanntschaften, die ich innerhalb meiner Klasse gemacht, die Freundschaften, die ich in meiner Studentenunterkunft geschlossen hatte, das wunderschöne Kapstadt, das eine Vielzahl an interessanten und schönen Orten sowie Unternehmungsmöglichkeiten zu bieten hatte, all das machte meinen Aufenthalt so angenehm, dass ich nicht daran dachte, zurück nach Deutschland zu fliegen, als ich nach zwei Monaten den Campus aufgrund des Nationalen Lockdown von 21 Tagen verlassen musste. 

Mit Hilfe des International Office der UWC wurde mir eine neue Unterkunft zur Verfügung gestellt, in der ich dann mit mehreren Backpackern, Studierenden und Freiwilligen aus aller Welt zusammenlebte. In dieser Zeit gab es ein Tabak- und Alkoholverbot, eine Ausgangssperre und nur die Möglichkeit, zum Supermarkt zu gehen. Nach über vier Wochen ging das Studium dann mit Online-Learning weiter, wobei mir durch die fehlenden Präsenzvorlesungen der Kontakt zu Kommiliton_innen und Professor_innen sowie der Austausch von Gedankengut fehlten, der mir zuvor so geholfen hatte, alle bisher auftretenden Hürden zu überwinden. 

Das Online-Learning war sehr vollgepackt und überforderte mich in den ersten Wochen sehr. Da ich aber kein anderes Ziel hatte, als dieses Semester bestmöglich zu bestehen und Aufgeben keine Option für mich darstellte, wurde ich fokussierter und setzte mir Ziele, die sich durch die wochenlange Isolation im Vergleich zu meinen Zielen vor meiner Ankunft in Südafrika doch sehr veränderten. Ein Ziel blieb allerdings gleich - und das war, dieses Semester erfolgreich zu bestehen. Dieses Ziel musste ich mir oft vor Augen halten, da ich ganz allein darauf hinarbeitete. Dies wurde mir erst recht bewusst, als aus dem 21-tägigen Lockdown mehr als 100 Tage wurden. 

Da meine Mitbewohner und Mitbewohnerinnen sehr introvertiert waren, wurden meine letzten vier Monate zu einer einzigen Selbstfindungsphase, in der ich vergangene Situationen in meinem Leben analysiert und reflektiert habe sowie meine Persönlichkeit unter schwierigen Umständen stärken konnte. Dazu musste ich immer versuchen, meine Laune hoch zu halten und nicht in eine depressive Stimmung zu geraten, die meine Motivation direkt in den Keller gezogen hätte. Natürlich gab es mal bessere Tage als andere, dennoch blieben meine Stimmung und Gefühlslage immer positiv, was mir half, sechs Hausarbeiten und drei Examen abzulegen. Letztere waren allerdings auch wie eine Hausarbeit aufgebaut. 

Je nach Hausarbeit schrieb ich mehr als acht Seiten auf Englisch - einer Sprache, mit der ich mich erst seit zwei Jahren intensiver beschäftigte. Ein Wahnsinns-Erfolg für mich, auf den ich wirklich mehr als stolz bin. Durch den Lockdown habe ich zwar in völliger Isolierung leben müssen. Trotzdem konnte ich Stärken an mir feststellen, die ich so noch gar nicht kannte. Dazu zählen nicht nur das Fokussiert-Sein auf eine einzige Sache, sondern auch meine Zielstrebigkeit und das Kochen. Durch das Verbot von Lieferservices war ich nämlich zum selbstständigen Kochen gezwungen. Ich wohne hier zwar alleine und koche öfters mal, aber in dieser Zeit konnte ich viele Dinge ausprobieren, die mir auch gezeigt haben, dass Kochen Spaß machen kann. 

Jedenfalls kann ich trotz der herausfordernden Umstände auf eine schöne und lehrreiche Zeit zurückblicken, die mich persönlich, beruflich und in meinen Zukunftsplänen sehr gestärkt hat. Mein Ziel, das Semester zu bestehen, habe ich übringens erreicht. Mit zwei As und einem C für meine Verhältnisse sehr erfolgreich.”

Sarah Dregger, "Management in sozialwirtschaftlichen und diakonischen Organisationen"

BILD: Dregg und Prüssner

Seit einem guten halben Jahr ist Sarah Dregger (Foto), Studierende im EvH-Studiengang "Management in sozialwirtschaftlichen und diakonischen Organisationen", mit 19,5 Stunden beim "Blauen Kreuz in der ev. Kirche Landesverband NRW" (BKE NRW) tätig. Zunächst lautete ihre Aufgabe: Eine Iststands-Analyse durchzuführen, welche Online-Angebote es in Sachen Suchtselbsthilfe landesweit gibt. "Denn auch beim BKE NRW soll so etwas aufgebaut werden", berichtet die 23-Jährige, die in diesem Jahr ihre Master-Arbeit über das Thema schreibt. Inzwischen wurde Sarah Dregger damit betraut, das Projekt als Projektleitung auf den Weg zu bringen.

Vermittelt worden war die studierte Sozialarbeiterin (BA) seinerzeit durch Dominic Prüßner (Foto), Referent für Forschungs- und Transfermanagement im Transfernetzwerk "s_inn". Er hatte die Anfrage der Selbsthilfe-Organisation über einen EvH-Professor an die Studierenden des Master-Studiengangs weitergegeben.

In Pandemie-Zeiten geht es Sarah Dregger wie vielen anderen: Das Projektteam arbeitet aus dem Homeoffice und trifft Absprachen über Videokonferenzen. Aber es geht voran. "Die Website wird von einer Agentur erarbeitet und ist schon relativ weit fortgeschritten", erzählt sie. Auch die Iststands-Analyse sei im vollen Gange. Geklärt werde, welche Online-Angebote es bereits gibt und wie das des BKE NRW irgendwann aussehen soll. Bei ihrer Arbeit profitiert die EvH-Studentin von Modulen aus ihrem Master-Management-Studium wie etwa "agiles Projektmanagent".

Als Nächstes gelte es nun, die Website fertig zu stellen, Texte dafür zu schreiben, die FAQs zu beantworten und eine Erklärung für das Video-Beratungstool zu erstellen. Auch werden Schulungen zur "kontaktlosen Selbsthilfe/Begleitung" konzipiert, die von Ehrenamtlichen übernommen werden soll. Das Ziel: virtuelle Unterstützung von Suchtkranken. Nebenbei führt Sarah Dregger auch ihre Forschung zum Thema weiter.

Später soll die Website als erste Anlaufstelle fungieren. Informationen zum Angebot werden dann in Kliniken, bei Ärzten und anderen Ansprechpartner_innen aus dem Suchtbereich ausgelegt. Social-Media-Kanäle seien erstmal nicht angedacht, so Sarah Dregger.

Obwohl die eigentliche Arbeit noch nicht begonnen hat, falle schon auf, dass digitale Möglichkeiten der Suchtselbsthilfe heute relevanter seien als bislang gedacht: "Gerade für Menschen, die krank oder nicht mobil sind und daher Selbsthilfegruppen nur schwer besuchen können, sollten Online-Angebote auch in Zukunft ausgebaut werden", ist die EvH-Studentin überzeugt.

Dass ihr Studium an der EvH derzeit über E-learning läuft, "ist für mich als Pendlerin sehr angenehm", freut sich die 23-Jährige. Der Informationsfluss vonseiten der Hochschule laufe gut, und auch mit den digitalen Angeboten der Bib ist sie zufrieden. Nun bleibe nur zu hoffen, dass das Projekt beim BKE NRW trotz Corona gut starten kann.

Marcus Wernery, 10. Semester, Soziale Arbeit

BILD: Seawatch 3

Zunächst das Wichtigste zu mir: Ich bin Marcus, gelernter Fachinformatiker, und studiere mittlerweile im 10. Semester Soziale Arbeit an der EvH und bin derzeit eigentlich in meine BA-Arbeit vertieft.

Die Geschichte fing Mitte letzten Jahres an, als die SeaWatch 3 mehrere Wochen keinen sicheren Hafen zugewiesen bekam, nachdem sie Geflüchtete in den internationalen Gewässern vor der Küste Lybiens gerettet hatte. Ich habe ich mich schon lange für die SeaWatch interessiert, denn ich als angehender Sozialarbeiter/-pädagoge kann für mich nicht verantworten, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, nur weil auf politischer Ebene nicht gehandelt wird. Der Vorfall im Juni 2019 hat mich dazu inspiriert, mich selber bei SeaWatch zu bewerben; und am 03.03.2020 wurde ich gefragt, ob ich auf der Mission ab dem 13.03. mitfahren könnte.

Damit war ich erstmal überrumpelt, habe mich letzten Endes aber dafür entschieden, die Mission anzunehmen. Also alles organisiert und Hinflug gebucht. Leider wurde die Mission am Tag vor meiner Anreise abgesagt, aufgrund der aktuellen Corona-Kriese, aber es hieß, dass trotzdem Leute auf dem Schiff gebraucht werden, also bin ich planmäßig hingeflogen. Habe erst noch 2 Nächte im Hostel verbracht, da die SeaWatch 3 mit der alten Crew noch in Quarantäne vor Anker lag. Nun bin ich seit dem 12.03.2020 auf dem Schiff. Wir liegen nur im Hafen und bringen das Schiff auf Vordermann. Für mich bedeutet dies, mich primär um die IT-Infrastruktur zu kümmern, also Kameras ans Laufen zu bringen, das Netzwerk zu überwachen und allgemeine Fehler zu korrigieren. Darüber hinaus helfe ich dort, wo meine Hilfe gebraucht wird, in der Küche, an Deck oder auf der Brücke.

In Zeiten von Corona achten wir auch am Schiff stark auf die Hygiene. Das bedeutet, dass keine fremden Personen an Bord kommen (und wenn, dann nur mit Maske und Handschuhen), wir uns nur direkt am Hafen bewegen, wo wir keinen Kontakt zu anderen Personen haben, und die Versorgungsgüter (wie Essen und Hygienesachen) werden erst einmal zwischengelagert, damit alle Viren absterben, oder gegebenenfalls desinfiziert, sofern sie schneller gebraucht werden.

Wie lange ich bleibe, steht noch nicht ganz fest, vielleicht noch einige Monate. Angedacht war ursprünglich, dass ich jetzt, Mitte April, zurückfliege, aber derzeit sind wir hier ziemlich sicher und geschützt vor Corona, sodass ich noch nicht weiß, wie es langfristig weitergeht. Ich kann mir vorstellen, auch noch länger hier zu bleiben, um der aktuellen Crew weiter zu helfen, damit das Schiff, sobald notwendig, wieder auf Mission gehen kann. Denn unabhängig davon, wie sich die Situation in Europa entwickelt, versuchen noch immer viele Menschen auf gefährlichem Weg das Mittelmeer mit Hochsee-untauglichen Booten zu überqueren und gefährden damit ihr eigenes Leben. Viele dürften die Situation an den Ostertagen mitbekommen haben: Mehrere Boote in Seenot wurden gesichtet, aber kein Staat half, obwohl sie Bescheid wussten. Allein in einem der Boote mussten 12 Menschen ihr Leben lassen, das Boot wurde letztendlich aus der Maltesischen Rettungszone völkerrechtswidrig nach Libyen zurückgeschleppt.

Daher möchte ich alle Personen, gerade Angehörige unserer Hochschule, bitten, sich lokal stark zu machen! Denn nicht jeder kann einfach in Zeiten von Corona zuhause bleiben. Menschen sterben auf dem Mittelmeer, weil NGOs nicht helfen können, bzw. wenn sie helfen, siehe das Rettungsschiff Alan Kurdi der deutschen Organisation "Sea-Eye", werden sie im Stich gelassen. Auch auf den griechischen Inseln spitzt sich die Situation unter mangelnder Hygiene und der Nicht-Möglichkeit nach "Social-Distancing" weiter zu! #leavenoonebehind Wer mein "Abenteuer" verfolgen möchte, kann gerne meinen Facebook-Blog verfolgen: https://www.facebook.com/Marcusonamission/

Milad Alsalloum, 2. Semester, Soziale Arbeit

Bild: Milad Alsalloum

Ich komme ursprünglich aus Syrien und bin seit 2015 in Deutschland. Nachdem ich viele Jahre lang intensiv Deutsch gelernt habe, hat es zum Wintersemester 2019/20 endlich mit dem Studienplatz Soziale Arbeit an der EvH geklappt. Das war für mich ein großer Schritt. Endlich hatte ich eine wirkliche Perspektive. Da ich in Syrien bereits Lehramt studiert habe, kann ich in Deutschland kein BAföG bekommen. Meinen Lebensunterhalt und das Studium habe ich mir daher bis März 2020 durch einen Nebenjob in einem Fahrradladen selbst finanziert. Und dann kam Corona, und der Fahrradladen musste natürlich auch schließen.

Aber ich hatte großes Glück: Zum Sommersemester 2020 hat die EvH erstmals "NRWege-Stipendien für Geflüchtete" ausgeschrieben - und ich habe ein Studienstipendium erhalten! Die Stipendien werden vom DAAD im Rahmen des Programms NRWege ins Studium finanziert und richten sich an Studierende mit Fluchthintergrund, die sich durch eine hohe Motivation und Wahrscheinlichkeit des Studienerfolgs auszeichnen. Ich bin sehr dankbar, dass meine Bewerbung erfolgreich war und ich seit März 2020 nun das NRWege-Stipendium bekomme, das erst einmal 12 Monate läuft. Denn wegen Corona hätte ich in meiner vorherigen Arbeitsstelle nicht weiterbeschäftigt werden können. 

Das Stipendium sichert mir jetzt den Lebensunterhalt und ermöglicht mir, das Studium ohne einen anderen aufreibenden Nebenjob weiterzuführen. Gerade jetzt, in Corona-Zeiten, hätte ich ohne das Stipendium ein existenzielles Problem. Als Nicht-Muttersprachler war das erste Semester eine echte Herausforderung für mich. Das andere Hochschulsystem und der gesamte Studienablauf sind einfach anders als das, was ich aus Syrien gewohnt war. Und natürlich ist mein Deutsch noch nicht so perfekt, dass ich immer alles sofort verstehe. Das zweite Semester, das ja nun online startet, wird sicher nicht weniger anstrengend. Davor habe ich wirklich Respekt. Wegen der Sprache waren die Präsenz in den Seminaren und der persönliche Austausch für mich immer sehr wichtig. Aber ich habe bisher so viel geschafft - da schaffe ich ein Online-Semester auch!

Berna-Elif Türkmen, 6. Semester, Soziale Arbeit:

Normalerweise hat Berna-Elif Türkmen engen Kontakt zu den Jugendlichen, die sie betreut. Die EvH-Studierende der Sozialen Arbeit arbeitet als Teilzeitkraft in der ambulanten Jugendhilfe. „Ich gehe mit denen einkaufen, auf Wohnungssuche oder zu Ämtern“, erzählt die 26-Jährige. Allerdings: In Zeiten der Corona-Pandemie haben alle Anlaufstellen geschlossen. „Jobcenter, Arbeitsamt oder auch Freizeit-Einrichtungen: Alles ist dicht“, berichtet die gelernte Erzieherin. Daher versucht sie, die vier 18-Jährigen und die Familie aus Herne telefonisch zu begleiten. Von zuhause aus.

Während Berna-Elif sonst 12 Stunden am Tag aktiv ist – auch ihre Bachelor-Arbeit steht gerade an – fallen ihre Teilzeit-Arbeit, ihr politisches Engagement und die Stunden, die sie sonst an der jetzt geschlossenen EvH verbringt, weg. Geblieben ist ihr das 30-Tage-Praktikum in der Jugendgerichtshilfe. Aber auch dort gibt es keine Vorgesprächs- oder Gerichtstermine mehr („gestern kam ein ganzer Packen Absagen vom Amtsgericht.“) Derzeit sitzt sie hauptsächlich im Büro, um Berichte zu schreiben – und versucht sich, so gut, es geht, räumlich mit den Kolleginnen abzuwechseln: „Denn wir dürfen ja nicht mehr zu zweit im Büro arbeiten.“

Die viele Freizeit ist es, die besonders an der Psyche nage, schildert die EvH-Studentin. „Alles bricht komplett weg: Irgendwann hat man auch die letzte Wäsche gewaschen, den letzten Handgriff im Haushalt getan - und die Langeweile ist echt heftig.“ Sie als sozialer Mensch vermisse besonders ihre Freunde und Kommilitonen. Video-Sitzungen ersetzten schlicht nicht das persönliche Miteinander. Auch das Gefühl, am Ende eines Tages etwas erreicht zu haben, stelle sich im Moment nicht ein.

Aus diesem Grunde ist Berna-Elif häufig bei ihren Eltern und geht dreimal am Tag mit Hund Sammy raus. Zumindest um ihren Lebensunterhalt muss sie derzeit nicht bangen, wie manch einer – kann sie doch in der ambulanten Jugendhilfe jede Menge Überstunden abbauen und wird dort weiter normal bezahlt. Was sie sich wünschen würde, wäre ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. „Allen müsste spätestens jetzt klar sein: Es sind vor allem die Menschen in unterbezahlten Jobs, die alles am Laufen halten.“ Von Balkons zu singen und für jene zu klatschen, die in der Pflege, im Krankenhaus oder im Einzelhandel arbeiten, sei ja schön und gut. „Ein besserer Dank aber wäre eine angemessene Bezahlung.“

EvH-Studierende, anonym

„Ich bin am 2. März 2020 für mein Auslandspraktikum nach Kampala geflogen. Drei Tage später hat Uganda eine starke Einreisebeschränkung mit 14-tägiger Selbstquarantäne verordnet, wodurch viele ihre Reisen stornieren mussten. Am Anfang haben ich und meine Mitbewohnerinnen uns darüber geärgert, dass nun keine Verwandten und Freunde zu Besuch kommen können.

Aber unser Alltag ging erstmal normal weiter - wobei der Coronavirus bereits in Uganda ein relativ großes Thema war. Es gab zwar noch keinen gemeldeten Fall, jedoch habe ich auf der Arbeit mit vielen Sozialarbeitern und Klienten über die ersten Geschehnisse geredet und diskutiert. Hierbei ist mir aufgefallen, dass viele nichts über den Virus wussten. Deswegen habe ich eine kleine „Aufklärungsrunde“ über COVID-19 organisiert und erzählt, was der Ursprung und die Symptome sind und was jeder machen kann, um die Ausbreitung zu verringern. Ich musste akzeptieren, dass es in Uganda oder dem überwiegenden Teil von Afrika oft keinen Zugang zu fließendem Wasser gibt und an Seife gar nicht zu denken ist.

Ganz andere Reaktionen habe ich jedoch auf der Straße in der Öffentlichkeit bekommen. Alle paar Meter wurde mir „Corona Virus“ oder „Do you have Corona Virus?“ hinterhergerufen, was nach einigen Tagen echt schwierig war zu ignorieren. Wir haben nach und nach immer öfter von anderen Freiwilligen im Ausland mitbekommen, dass sie nach Deutschland zurückkehren müssen.

Bis zum 14. März habe ich mir aber keine Gedanken um meine eigene Abreise gemacht. Als die allgemeine Reisewarnung vom Auswärtigen Amt und der Einreisestopp von Nicht-EU-Bürgern nach Europa beschlossen wurde, haben ich und meine dortigen Mitbewohnerinnen uns leider dazu entscheiden müssen, einen Rückflug zu buchen.

Deswegen bin ich jetzt nach zwei Wochen wieder zurück in der Heimat und halte mich im Haus auf - bis auf den täglichen Spaziergang mit dem Hund und einige Einkäufe im Supermarkt.

Am Anfang war ich sehr enttäuscht über meinen sehr kurzen Aufenthalt in Kampala, da ich eigentlich noch drei Monate länger bleiben wollte und vorhatte, mehr vom Land zu sehen und unterschiedliche Geschichten und Menschen kennen zu lernen. Aber in dieser Zeit haben viele mit der veränderten Lebenssituation zu kämpfen, und ich bin dankbar dafür, dass ich das Privileg habe, immer Zugang zu guter medizinischer Versorgung, zu Nahrung, zu Wasser und auch zu finanziellen Mitteln zu haben. Meine einzige Aufgabe ist es, zu Hause zu bleiben!“

Rikarda Roth, 6. Semester, Pflegewissenschaft:

Rikarda Roth studiert im 6. Semester Pflegewissenschaft an der Evangelischen Hochschule – und arbeitet nebenher zu 40 Prozent als Gesundheits- und Krankenpflegerin an einer Uniklinik in NRW. Dort ist sie auf der Hämatologie tätig, hat also mit Leukämiepatienten zu tun. „Das ist eine spezielle Station, wo die Patienten hochgradig infektionsgefährdet sind“, erklärt die 26-Jährige. Natürlich ist die Sorge vorhanden, sie könnten sich mit Corona infizieren.

Mit dem Besuchsverbot auf der Station kommen ihre Patienten nicht immer gut klar. „Die einen verstehen das und sagen: Natürlich ist das in Ordnung. Andere machen Randale, weil jetzt die Ehefrau nicht mehr kommen kann oder sie selbst nicht mehr rausdürfen.“ Dabei hängt bei einigen das Leben am seidenen Faden.

Rikarda Roth wäre bereit, in dieser Situation mehr zu arbeiten – auch, weil sie vor dem Abschluss an der EvH nur noch eine Vorlesung belegen muss und somit nicht mehr viel Präsenzpflicht hat. Eigentlich wartet sie jeden Tag darauf, diesbezüglich angeschrieben zu werden. „Mir wäre nur lieb, weiter auf der Hämatologie arbeiten zu können – und nicht auf einer Infektionsstation eingesetzt zu werden.“

Ihr Lebensalltag hat sich durch Corona deutlich verändert. Normalerweise fährt sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Inzwischen steigt sie nur noch aufs Rad. „Im Grunde ist das die einzige Bewegung, die man bekommt.“ Manchmal steht sie einfach am Fenster, um die Sonne im Gesicht zu spüren. Auch ihr Lebensgefährte ist jetzt viel zuhause – er wurde mit der Begründung ins Homeoffice geschickt, seine Freundin arbeite an der Uni-Klinik und könnte den Virus von dort einschleppen.

Freunde und Verwandte treffen, das geht im Moment nicht. Alle haben viel Zeit zum Nachdenken – so nimmt auch Rikarda Roth die Gedanken an die Arbeit mit nachhause. „Normalerweise kann ich gut abschalten“, erzählt sie. Jetzt aber beschäftige sie sich in der Freizeit mit Fragen wie: Wie geht es den Patienten, wie den Kollegen?

Auch hat sie Sorge, ihre Station – die etwas abseits der übrigen Bettenhäuser liegt - könnte gerade deshalb zur Corona-Station umgewidmet werden. Was passiert dann mit ihren eigenen Patienten? „Alles, was sonst statisch ist, ist gerade im Wandel“, so die EvH-Studentin. „Diese Ungewissheit zerrt an den Nerven.“

Jenny Caniglia, 4. Semester, Pflegewissenschaft:

Für Jenny Caniglia hat sich der Alltag sehr verändert. Seit 2014 arbeitet die EvH-Studierende der Pflegewissenschaft intensiv und in persönlichem Kontakt mit Multiproblem-Familien, bei denen zum Teil auch Kindeswohlgefährdung besteht. Bis  zu einem Jahr nach der Geburt bietet die 40-Jährige jungen Müttern Hilfen zur Erziehung und Beziehung an. „Im Moment aber arbeite ich komplett aus dem Homeoffice“, erzählt die gelernte Hebamme, die die sozial-pädagogische Zusatzausbildung zur Familienhebamme gemacht hat.

Während sie sonst 15 Stunden die Woche tätig ist, hat sie jetzt täglich von 9 bis 16 Uhr Bereitschaft. Der Hintergrund: Die Kolleginnen vom Gesundheitsamt, mit denen sie normalerweise im Team arbeitet, werden in Schichtdiensten dazu eingesetzt, die örtlichen Corona-Fälle systematisch abzuarbeiten. Auch die Kollegin von der Diakonie, bei der Caniglia selbst angestellt ist, muss sie derzeit vertreten. Alle haben ihre Telefone auf ihr Diensthandy umgestellt. So steht sie nicht nur regelmäßig mit den betreuten Familien in Kontakt – sondern fungiert auch als Netzwerkkoordination für Jugendamt, Krankenhäuser und Konfliktberatungsstellen.

„Wichtig ist die Corona-Aufklärung bei unseren minderjährigen Müttern, damit die sich nicht einfach weiter mit ihren Freunden treffen“, erzählt Jenny Caniglia. Während sie sonst auch Wohnungen inspiziert – und angesichts des herrschenden Chaos schon mal schimpfen muss -, läuft im Moment alles telefonisch. Eine Herausforderung, weil sie sich kein Bild vor Ort machen kann. „Ich sage denen am Telefon: Geh mit dem Baby doch mal auf die Krabbeldecke und nimm Spielzeug mit. Viele wissen das nicht von alleine.“

Sorgen macht sich die Hebamme vor allem um die psychisch kranken Frauen, für die die derzeitige Isolation nur schwer zu ertragen ist. Mit ihnen telefoniert sie jeden Tag, um sie aufzufangen, manchmal bis zu eineinhalb Stunden - „was gefühlt meine Hauptaufgabe ist“. Einige von ihnen sind schwerst traumatisiert, etwa durch Missbrauch. Hier ist Sensibilität im Umgang gefragt.

Gegen 13 Uhr wird es meist ein wenig ruhiger. Dann kann die zweifache Mutter mit ihren eigenen Kindern in den Garten gehen. Die berufliche und private Doppelbelastung sei schon sportlich, sagt sie. Während ihre zehnjährige Tochter die Homeschooling-Situation gut akzeptiert, fallen ihrem achtjährigen Sohn die festen Lern-Zeiten schwer. „Der bekommt schon mal einen Rappel, und ich probiere es mit dem Belohnungssystem.“

Abschalten fällt gerade schwer, weil sie befürchtet, dass die Situation in den Familien eskalieren könnte: Frauen und Kinder gefangen in winzigen Wohnungen ohne Balkon oder Garten, dazu noch in schwierigen Verhältnissen. „Und bis auf den Notfall geht da gerade keiner rein, nicht mal die sozial-pädagogische Familienhilfe, weil wir natürlich alle Überträger wären und keine Schutzkleidung haben.“ Ihr selbst hilft in dieser Situation, dass sie mit ihren Berufskolleginnen gut vernetzt ist und im Austausch steht. „Da, wo man als Hebamme sonst für sich arbeitet, rücken die Felder jetzt zusammen. Solidarität und Miteinander sind deutlich gewachsen.“

Ann-Sophie Vollmer, 6. Semester, Soziale Arbeit

„Ich befinde mich gerade im sechsten Semester und schreibe an meiner Bachelorarbeit, vorzugsweise von zuhause aus. Vor den Alltags-Einschränkungen hat dies hervorragend funktioniert. Ich habe vormittags an der Arbeit geschrieben und habe mich am Nachmittag mit Freunden getroffen und Sport gemacht. Mein Alltag war sehr ausgeglichen, und ich kam gut voran. Durch die Pandemie bin ich viel mehr zuhause als vorher. Mein Nebenjob in einer Kita wurde ausgesetzt, und alle Kletterhallen und Yogastudios haben zu. Genauso wie die Bibliothek an der Hochschule.

Ich merke, dass ich in der Arbeit sehr stagniere. Mir fehlt der Ausgleich. Dadurch, dass ich viel mehr zuhause bin, habe ich auch  mehr Druck, mich an die Bachelorarbeit zu setzen und sitze stundenlang unproduktiv vor dem Bildschirm und den Büchern. Ein Kapitel muss ich durch die geschlossenen Bibliotheken außerdem nach hinten schieben, da die benötigte Literatur Präsenzbestand ist. Die Hochschule hat uns zwar eine Fristverlängerung gegeben, solange die Bibliothek zu hat, doch ich muss trotzdem in meiner Frist bleiben, um das Studium noch im Sommersemester abschließen zu können, damit ich im Wintersemester ein anderes Studium beginnen kann.

Trotz meinen aktuellen Schwierigkeiten ist es mir allerdings wichtig zu sagen, dass ich großen Respekt vor anderen Menschen in dieser Pandemie habe, sowohl vor denjenigen, die das System am Laufen halten, als auch vor Kommilitonen, die in der gleichen Lage stecken - allerdings noch ihre Kinder rund um die Uhr zuhause haben, es noch nicht geschafft haben, sich vorher Literatur zu besorgen, deren Job sie gerade zu 100 Prozent einspannt oder die schlicht nicht zuhause arbeiten können. Ich wünsche allen das Beste für diese schwierige Situation!“

EvH-Studierende, anonym, 4. Semester, Pflegewissenschaft:

Als Krankenschwester auf der Intensivstation arbeitet Annette (Name geändert) im Nachtdienst. "Und momentan mehr als Vollzeit," erzählt die EvH-Studierende von der corona-bedingten Situation. Ihre Hochschultage sind gestrichen, aber die Professoren und Professorinnen hätten Verständnis dafür.
Manchmal, wenn es ruhiger ist, kann sie den Nachtdienst nutzen und in ihre Hochschul-Bücher schauen. Mit dem digitalen Angebot an der EvH ist sie zufrieden - das E-learning werde gut aufbereitet. "Und auch die Web-Seminare laufen, nur der Server ist manchmal etwas überlastet."

Auf der Intensivstation betreut sie bis zu vier Patienten, manchmal aber auch mehr. Ab und an ist sie für den abgeschotteten Bereich eingeteilt, in dem sechs Betten für Corona-Patient_innen vorgesehen sind. Während es in den letzten Wochen mehr Verdachtsfälle als bestätigte gab, liegen inzwischen drei positiv getestete Patienten auf der Station.

Wenn Annette mit ihnen zu tun hat, arbeitet sie in voller Schutzmontur. Das Problem: "Wir haben nicht mehr genügend Schutzkittel und arbeiten im Moment mit halb durchlässigen." So müsse das eine oder andere Material mehrfach verwendet werden; Masken etwa müssten eigentlich nach zwei Stunden in den Müll. Jetzt aber trägt sie sie länger und muss sehen, dass sie beim An- und Ausziehen nicht in den Keimbereich greift.

"Ich versuche, diese Material-Knappheit auszublenden, sonst könnte ich die Arbeit nicht mehr machen", sagt Annette. Die größte Sorge gilt ihrer Familie und dass sie den Virus dort reintragen könnte - wohnt sie doch mit ihren Eltern in einem Haus. "Meine Mutter arbeitet in einem Seniorenheim. Um niemanden zu gefährden, versuchen wir, so wenig wie möglich Kontakt zu haben," berichtet die EvH-Studentin. Positiv aber sei: Ihre Mama habe jetzt gelernt, wie Video-Anrufe gehen....

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